Kulturpolitik auf der Kurzstrecke

Thomas Drozda besitzt mit Gewissheit eine Uhr, die Zeit ist ihm jedoch davongelaufen. Mit der Bildung einer neuen Bundesregierung ist nach dem 15. Oktober die Wahrscheinlichkeit groß, dass die amtliche Verweildauer für den am 18. Mai 2016 angelobten SPÖ-Minister für Kunst, Kultur, Verfassung und Medien zu den rekordverdächtigen Kurzstrecken der österreichischen Nachkriegspolitik zählen wird. Was sollte ihm also gelingen?

Zunächst ist wohl festzuhalten, dass Drozda wieder aktiver den Versuch unternommen hat, insbesondere die Kulturpolitik aus ihrem Dornröschenschlaf wach zu küssen. Da kam dem erfahrenen Theatermanager gerade recht, dass er mit dem Wechsel in der Staatsoperndirektion und der überraschenden Ernennung von Bogdan Roščić ungewöhnliche große mediale Aufmerksamkeit finden konnte. Dabei wurde ihm von Anfang an schonungslos und dick umrahmt ins Stammbuch geschrieben, welche Herausforderungen so rasch wie möglich anzupacken seien: Mehr Geld für die kleinen und alternativen Kulturszenen, die soziale Notlage vieler Kunstschaffenden, die Aufarbeitung des Finanzskandals im Burgtheater, das Haus der Geschichte und schließlich, in Anbetracht der Baustellen ORF und Presseförderung, die längst überfälligen Reformen im Medienbereich.

Das klingt doch alles nach einem ehrgeizigen Programm, mit dem ein strebsamer Politiker für die Geschichtsschreibung nachhaltig aufzeigen kann. Doch kam Thomas Drozda der Umstand in die Quere, dass er monatelang als Kanzleramtsminister für Christian Kern auch die Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner ÖVP  sicherstellen sollte. Also auf einem sehr dünnen Eis, das im Frühjahr 2017 tatsächlich in sich zerbrochen ist. Und nun stehen vorgezogene Neuwahlen ins Haus – mit Meinungsumfragen, die der Sozialdemokratie seit Wochen keine besonders erfolgreichen Perspektiven in Aussicht stellen.

Damit tritt Kulturpolitik wieder in den Hintergrund – und Thomas Drozda in eine neue Rolle. Mit einem Plan K möchte er im Wahlkampf nun an der Seite seines Spitzenkandidaten stehen. Mit kulturpolitischen Zukunftsforderungen, als seien die Versäumnisse bislang unbekannt geblieben: Valorisierung der Kunst- und Kulturförderungen sowie Mehrjahresverträge für Bundeseinrichtungen und die freie Szene, die sich an der prognostizierten Inflationsrate orientieren. Das liest sich durchaus ambitioniert. Ob sich der Herr Minister eventuell auch auf der Oppositionsbank den Ehrgeiz bewahren kann, ist vorerst jedoch noch völlig offen.