Vergessene Zukunft – die politischen Jahre der Public Netbase

Das Buch Vergessene Zukunft, das im Februar 2012 im transcript Verlag erschienen ist, enthält ein Interview mit Konrad Becker und mir zu den politischen Jahren der Public Netbase.

 

Interview mit Konrad Becker und Martin Wassermair

Konrad Becker gründete 1994 gemeinsam mit Francisco de Sousa Webber die Netzkulturinstitution Public Netbase/t0 und war bis zur Schließung 2006 deren Leiter. Martin Wassermair war von 2001 bis 2006 Geschäftsführer von Public Netbase/t0 und zuständig für Organisation und Kommunikation. Beide waren aktiv am Widerstand gegen die rechtskonservative Bundesregierung beteiligt.

 

Ende 1998 gab es ein Treffen der Virtuellen Plattform Österreich, auf dem das “Gelbe Papier” als gemeinsames Positionspapier verabschiedet wurde. Public Netbase und servus.at traten dabei als maßgebliche Proponentinnen auf – wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Konrad Becker: Die Achse zwischen Linz und Wien war damals schon eine wichtige! Wobei diese Art von Treffen noch breiter angelegt waren; man hat ja eigentlich jede/n eingeladen, der/die sich irgendwie für das Thema interessieren wollte. Es gab Ende 1995 bereits ein erstes Vernetzungstreffen auf der Diagonale in Salzburg, wo ein Sechs-Punkte-Plan namens “Misera Media” erarbeitet und präsentiert wurde. Dabei haben wir an die österreichische Kulturpolitik die Forderung gestellt, die veränderten Arbeitsbedingungen in einer zunehmend von digitalen Medien bestimmten Welt anzuerkennen und diesen Umständen endlich auch Rechnung zu tragen. Das Positionspapier diente dann durchaus als Bezugspunkt für das, was Jahre später im Rahmen des “Gelben Papiers” diskutiert wurde, also vor allem die Anerkennung eines künstlerischen Segments, welches die digitalen Medien für sich erschließen wollte.

Martin Wassermair: Diese Zeit war ja auch insofern interessant, als 1998 ein Schlüsseljahr darstellte: Auf der einen Seite wurde unter der Regierung von Viktor Klima das Kunstministerium aufgelöst und in Form eines Staatssekretariats dem Bundeskanzleramt direkt unterstellt. Da waren der Schrecken und der Aufschrei freilich groß. Auf der anderen Seite war das Jahr 1998 auch wichtig, weil es Fragen der Medienpolitik in Österreich in den Vordergrund gerückt hat. Es war genau das Jahr, in dem das Monopol des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgehoben und erstmals das, was man als privaten Rundfunk bezeichnet, möglich gemacht wurde. Damals hat man gemeint, mit dem Ende von “Medien-Albanien” würde eine neue Zeit in Österreich anbrechen. Gleichzeitig wurde jedoch auf einen wichtigen Sektor vergessen, nämlich jenen Bereich, der nicht-kommerzielle Medien bzw. elektronische Medien komplementär zum öffentlichrechtlichen Rundfunk betreiben wollte. Diese Bottom-Up-Medienprojekte wurden rechtlich gar nicht berücksichtigt, das heißt, sie kamen in dem Gesetz gar nicht vor – übrigens bis heute nicht, weswegen sie bis heute inexistent sind.

Nun gab es mit der Virtuellen Plattform Holland vergleichbare Initiativen in ganz Europa. Wie sah die Vernetzungsarbeit auf europäischer Ebene aus?

Konrad Becker: Im Oktober 1997 wurde die “Amsterdam Agenda” im Rahmen der Konferenz “From Practice to Policy” verabschiedet. Das war ein europäisches Vernetzungstreffen, welches von der Virtuellen Plattform Holland organisiert wurde und unter den Auspizien des Europarates stand. In der Folge gab es dann anlässlich der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft eine Konferenz der Bundesregierung unter dem Titel “Kultur als Neue Kompetenz. Neue Technologien, Kultur & Beschäftigung” und Public Netbase wurde damit beauftragt, für den Bereich Informationsgesellschaft und digitale Medien eine eigene Veranstaltung innerhalb dieser Konferenz zu konzipieren. Daraus entstand ein weiteres Positionspapier namens “Networking Centres of Innovation”, welches gemeinsame Schnittmengen europäischer Medienkulturinstitutionen aufzeigte. In gewisser Weise war das bereits ein Prototyp für jenes Netzwerk, welches sich Anfang 1999 bei einem Arbeitstreffen in Wien als “European Cultural Backbone” (ECB) formiert hat. Unser Ziel war es, ein europaweites, digitales Kulturnetz aufzubauen.

Das korrespondierte auch mit dem Aufbau lokaler Netzwerke und dem Versuch, diese in einem “Austrian Cultural Backbone” (ACB) zusammenzuschließen.

Martin Wassermair: Hierzu gab es im Mai 1999 eine Medienkonferenz in Linz, die von der Oberösterreichischen Gesellschaft für Kulturpolitik gemeinsam mit der Virtuellen Plattform Österreich, der Kulturplattform OÖ und der IG Kultur Österreich organisiert wurde. Dort wurde tatsächlich so etwas wie eine Auf- oder Umbruchstimmung signalisiert, trotz der ersten neoliberalen Tendenzen in der Kulturpolitik, wie etwa der angesprochenen Auflösung des Kunstressorts. Der damalige Kunststaatssekretär im Bundeskanzleramt, Peter Wittmann, hat auf der Medienkonferenz gesprochen und jede Menge Geld für den unabhängigen Medienbereich versprochen. Damals gab es ja auch noch den Plan, einen Bundeskurator bzw. eine Bundeskuratorin für Neue Medien einzusetzen. Nur wurde dieses Vorhaben dann von den Ereignissen im Februar 2000 überrollt, und später wollte niemand mehr etwas davon wissen. Aber die Konferenz hat gezeigt, dass hier Entwicklungen im Gange sind, die man nicht mehr so einfach ignorieren kann; ganz abgesehen davon, dass Peter Wittmann sozusagen mit einem Scheck gewunken hat, der angesichts der späteren Rechtsregierung nur ungedeckt sein konnte.

Konrad Becker: Auf jeden Fall war das damals nicht bloß ein “wishful thinking”, sondern hatte schon einen realen Hintergrund, weshalb man sich ja auch auf verschiedenen Ebenen mit diesen Policy-Fragen beschäftigt hat. Wobei man immer nach Holland geblickt hat, wo die Ressourcen für diesen ganzen Bereich unverhältnismäßig besser waren. Aber auch in Österreich wurde zu dieser Zeit alles Mögliche versprochen oder angekündigt. Wobei man nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Stadtebene eingeladen wurde, relativ avancierte und konkrete Projektvorschläge zu machen. Man musste zum damaligen Zeitpunkt einfach annehmen, dass es da Einflussmöglichkeiten gibt.

Dann kam aber die sogenannte “Wende” und mit ihr die Regierungskoalition zwischen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Freiheitlichen Partei (FPÖ) unter Jörg Haider. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel erklärte bei seinem Amtsantritt die “Internet-Generation” zu den Verantwortlichen des unerwartet heftigen Widerstandes gegen die schwarz-blaue Bundesregierung. Welche Rolle spielte Public Netbase in den Protesten?

Martin Wassermair: Das war für Public Netbase zunächst einmal ein Schock, also das Wahlergebnis im Oktober 1999 und der große Schrecken, der damit verbunden war; daraus ergaben sich dann aber auch neue Vernetzungsmöglichkeiten, die vor allem über das Widerstandsprojekt “Get to attack!” liefen. Das war ja nicht nur eine stark frequentierte Website auf dem Server von Public Netbase, sondern auch eine Plattform, wo sich eine ganze Menge von Kunst- und Kulturschaffenden zusammengetan haben, um ordentlich aufzuschreien. Wir haben dann mit “fremd.netz” noch im Spätherbst 1999 eine Veranstaltung gemacht, die sich explizit gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Österreich wandte. Nur war das alles schon zu spät, denn dann kam der 4. Februar 2000 und mit ihm die Bildung der rechtskonservativen Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel. Aber das ist eben nicht ganz unerwartet über uns hereingebrochen, sondern das hat sich schon zuvor abgezeichnet. Public Netbase zählte hier nicht nur zu den ersten kritischen Organisationen, welche die frühen Vorboten des Rechtsrucks ja auch am eigenen Leib zu spüren bekommen haben, wir haben uns auch schon bei den ersten Vernetzungsaktivitäten gegen Schwarz-Blau kräftig eingebracht.

Mit der Internetseite “government-austria” wurde ja dann auch ein eigener Gegeninformationskanal aufgebaut …

Konrad Becker: In gewisser Weise korrespondiert das mit den Sachen, die wir vorher angesprochen haben, also wie man Policy Statements gegenüber politischen Entscheidungsträger/innen formulieren kann. In diesem Fall war uns aber allen klar, dass man mit dieser Regierung nicht reden kann. Gleichzeitig wollten wir den Diskurs fortsetzen, und aus diesem Gedanken heraus ist eine Diskursserie entstanden, die sich explizit dem Dialog mit der schwarz-blauen Regierung verweigert hat und stattdessen eine eigene Identität aufbauen wollte. Dass ausländische Beobachter/innen, die im Internet nach “Austrian Government” gesucht haben, dann auf unserer Seite gelandet sind, war natürlich Teil des Konzepts und hat sich auch in unserem Wahlspruch “We are the Government” ausgedrückt.

Martin Wassermair: Wir haben die Seite zwischen 4. und 19. Februar gestartet, also zwischen dem Tag der Angelobung und der ersten großen Demonstration gegen die ÖVP-FPÖ-Regierung. Das Konzept zu diesem Projekt ist sozusagen im Gehen entstanden, wobei wir früh festgestellt haben, dass es einfach nicht ausreicht, wenn man nur dagegen ist. Also haben wir ein ausgereiftes Konzept für diese Seite entwickelt und damit unseren eigenen politischen Kosmos geschaffen. Wir haben dort auch wichtige Debatten geführt und spannende Themen verhandelt und so andere Denkwelten unter dem Ausschluss der offiziellen österreichischen Bundesregierung versammelt. So ist dieses Projekt entstanden, wobei das letztlich ein langjähriges Vorhaben war und im Laufe der Zeit auch weitere Elemente wie “Die NEUE Kunstsektion” dazugekommen sind.

Eine der Konsequenzen war die massive Kürzung der Mittel aus der Bundeskunstförderung, die 1999 noch ungefähr 150.000 Euro, 2000 und 2001 allerdings nur mehr je 70.000 Euro betragen haben. Neben dieser finanziellen Bedrohung stand auch der Rauswurf aus den bisherigen Räumlichkeiten im Wiener MuseumsQuartier (MQ) bevor. Worin bestand der Konflikt?

Martin Wassermair: Im Sommer 2001 erfolgte die offizielle Eröffnung des MQs, und alle Institutionen waren eingeladen, einen Eröffnungsbeitrag zu leisten. Jede/r wusste, dass dies zugleich ein großer Staatsakt sein wird, bei dem auch hohe Repräsentant/innen der Bundesregierung anwesend sein werden. Das wollten wir dann gleich zum Anlass nehmen, um uns für all das erkenntlich zu zeigen, was wir bisher haben erleben dürfen, und haben eine Installation vor dem MQ errichtet, wo Internet-User/innen über ein spezielles Interface die Möglichkeit hatten, Botschaften in den öffentlichen Raum zu projizieren. Das Projekt hieß “Remote Viewing” und sollte mit verschiedenen Künstler/innen verwirklicht werden. Nur wurde uns dieser Beitrag kurzerhand mit dem Hinweis untersagt, dass das aus sicherheitstechnischen Gründen nicht vor dem MQ angebracht werden darf. Als Reaktion haben wir dann in einem Hof innerhalb des MQ eine kleine Militäranlage aufgebaut, mit NATO-Zelt und Sandsäcken, und haben diese mit unseren Slogans versehen. Das war unser Eröffnungsbeitrag, der auf große Begeisterung gestoßen ist. Und als die Eröffnung vorbei war, haben wir uns geweigert, da wieder abzuziehen. Wir haben dieses kleine Fleckchen im MQ-Seitenhof dauerhaft besetzt gehalten.

Während dessen erhielt Public Netbase von MQ-Direktor Wolfgang Waldner bereits einen Räumungsbescheid …

Martin Wassermair: Ja, zu dem Zeitpunkt haben wir bereits die Räumungsklage erhalten, und es wurde versucht, uns mit allen möglichen Drohgebärden aus dem MQ rauszuekeln. Für mich war Wolfgang Waldner, der sich ja nicht mehr wie sein Vorgänger als Geschäftsführer, sondern als Direktor des MQ bezeichnet hat, immer ein sehr konsequenter Vollstrecker der schwarz-blauen Politik. Er hat eigentlich auch nie auf einen Marschbefehl der Bundesregierung gewartet, sondern das gleich in einem vorauseilenden politischen Gehorsam umgesetzt. Als er 1999 ins MQ gekommen ist, hat er eigentlich recht wenig vorgefunden, wo er seine eigene Handschrift hätte auftragen können. Die großen Häuser wie etwa das Leopold Museum oder das Museum Moderner Kunst (MUMOK) waren schon da, und so blieb ihm nur mehr der sogenannte “Fischer-von-Erlach-Trakt”, wo er sich ein Denkmal setzen wollte. Da waren die dort ansässigen Institutionen wie die basis wien, das depot oder eben auch Public Netbase störende Fremdkörper, und die wollte er raus haben. Wir haben dann nicht zuletzt aufgrund juristischer Beratung das Feld geräumt, und heute steht dort mit dem “Quartier 21” ein wirtschaftliches Erprobungsfeld für die heimische Kreativindustrie.

Das MQ argumentiert bis heute, Public Netbase hätte ein Raumangebot im “Quartier 21” abgelehnt.

Martin Wassermair: Leider hat sich mit der Propaganda dieser Eindruck zunehmend verfestigt. Wir haben dem immer sachlich entgegen gehalten, dass wir unseren Vereinszweck nur unter gewissen räumlichen Rahmenbedingungen erfüllen können. Diese Ansprüche waren keinesfalls übertrieben, im Gegenteil, wir haben auch die internationalen Projekte immer unter sehr beengten Umständen abgewickelt. Das konnten wir sogar dem MQ-Aufsichtsrat plausibel machen. Immerhin hat die Auslandspresse nach der Räumungsklage von der “Wiener Schande” geschrieben (Neue Zürcher Zeitung, 26. Juli 2001; Anm). Umso unvergesslicher bleibt also der 30. Juli 2001, als wir auf dem neutralen Boden des Historischen Museums der Stadt Wien nach stundenlangen Debatten zu einer Fünf-Punkte-Einigung gekommen sind.

Konrad Becker: Es gab mehrere Problembereiche, die dringend klärungsbedürftig waren, vor allem im Hinblick auf die zu erwartenden Kosten, die Laufzeit der Mietverträge und die Veranstaltungsflächen. Die in den Jahren der Vorbereitung und Projektentwicklung gemachten Zusagen wurden ja von Waldner alle aufgekündigt. Wir haben uns dann in langwierigen Verhandlungen in allem sehr zurückgenommen und einen Kompromiss geschlossen, weil wir der Ansicht waren, dass es noch immer lohnender ist, einen Brückenkopf für kritische Medienkulturpraxis in diesem Haus zu etablieren. In seiner Funktion als Bevollmächtigter der Stadt Wien hat Hofrat Düriegl die sinngemäße zukünftige Umsetzung persönlich garantiert. Im Sinne einer Deeskalation wurde dann auch die Abmachung getroffen, dass die MQ-Geschäftsführung die Räumungsklage zurückzieht, während Public Netbase die Räume vorübergehend übergibt. Nach unserem Auszug mussten wir allerdings schnell merken, dass die MQ-Leitung auch nicht einen Augenblick daran dachte, uns wirklich zurückkehren zu lassen. Alle Abmachungen wurden fortan dreist ignoriert. Das war natürlich nur möglich, weil die Stadt Wien den Bruch dieser Abmachung nicht nur völlig widerspruchslos hingenommen hat, sondern das ganze MQ einem kurzsichtigen politischen Opportunismus opferte, wo eine kritische Haltung nicht mehr erwünscht war.

Das Augenmerk von Public Netbase hat sich dann nicht zuletzt aufgrund des Verlusts der Räumlichkeiten im MQ auf den Karlsplatz verlagert. Dieser wurde im Sommer 2003 durch ein Mediencamp, an dem sich neben Public Netbase auch Radio Orange 94.0, die IG Kultur Wien, MALMOE und das PUBLIC VOICE Lab beteiligt haben, temporär besetzt. Was waren die Forderungen dieses Mediencamps?

Martin Wassermair: Die Besetzung zog ihre Energie aus dem Ärger über das Scheitern eines eigenen “Community-TV” in Wien. Public Netbase war damals involviert in die Bemühungen eines solchen Fernsehkanals, der 2001 als eines der 23 rot-grünen Gemeinschaftsprojekte in Wien postuliert worden war, gleichsam als Bottom-up-Projekt verschiedener Organisationen. Da hat sich auch ein eigener Verein entwickelt, wo ich damals für Public Netbase im Vereinsvorstand saß. Die damalige Vize-Bürgermeisterin Grete Laska und mit ihr natürlich die Stadt Wien haben das aber sofort abgewürgt und das ganze Fernsehprojekt auf die lange Bank geschoben. Das hat letztlich zu diesem Protestcamp geführt, wobei Public Netbase nach dem Rauswurf aus dem MQ den Karlsplatz auch als mögliches Aktionsfeld betrachtet hat. Die Bemühungen, eigene Räumlichkeiten am Karlsplatz zu realisieren, wurden dann aber durch weitere Kürzungen von Seiten der Stadt Wien zunichte gemacht.

Wie kam es dann letztlich zur Schließung von Public Netbase?

Martin Wassermair: Es gab ja immer den Vorwurf von Seiten der Stadt, dass wir nicht mit dem Geld auskommen wollen, das uns zur Verfügung steht. Im Grunde haben wir aber nichts anderes getan, als alle anderen Institutionen auch tun, nämlich einen Bedarf kommuniziert und gefordert, dass die Politik diesen Bedarf ausreichend deckt. Als 2004 erstmals drastisch von Seiten der Stadt Wien gekürzt wurde, auch als eine Folge des Mediencamps, haben wir die Netbase soweit zurückgebaut, um trotz anderslautender Versprechungen mit sukzessiven Kürzungen das Auslangen zu finden. Nur war die Situation dann auch schon so zugespitzt, weil der Wiener Kulturstadtrat, Andreas Mailath-Pokorny, schon ein neues Fördersystem für die Wiener Netzkulturen ausgearbeitet hatte und Public Netbase de facto beseitigen musste, um dieses implementieren zu können. Am 11. Jänner 2006 gab es dann eine Sitzung mit dem Ergebnis, dass unter den gegebenen Umständen ein Weiterarbeiten keinen Sinn mehr macht. Wir haben noch am selben Tag die Schließung von Public Netbase bekanntgegeben.

Würdest Du sagen, dass mit dem Wegfall von Schwarz-Blau das Interesse der sozialdemokratisch regierten Stadt Wien an Public Netbase gesunken ist?

Martin Wassermair: Für die Sozialdemokratische Partei (SPÖ) in Wien war die Großwetterlage nach dem Februar 2000 eine große Chance, sich diametral zum schwarz-blauen Bund zu positionieren. Damals hat man ja noch mit großem Interesse die kulturpolitische Ausrichtung von Public Netbase mitverfolgt; also vor allem diesen kantigen Widerstand gegen Schwarz-Blau, der ja nicht aus Jux und Tollerei bestanden hat, sondern sachlich gut begründet war und mit einer Vielzahl von Aktivitäten große internationale Beachtung finden konnte. Da hat man Public Netbase von Seiten der Stadt Wien sicherlich neu schätzen gelernt und ist dann auch, nach den Kürzungen durch die Bundesregierung, in die Bresche gesprungen. Nur war es naiv zu glauben, dass wir damit unser Kritikvermögen aufgeben würden – auch nicht gegenüber der Stadt. Unterdessen hat man uns auch offen nahegelegt, so etwas wie ein Aufsichtsratsgremium einzurichten, in dem dann städtische Politiker/innen sitzen würden. Ein sehr unmoralisches Angebot, das wir dankend ausgeschlagen haben. Rückblickend halte ich es da mit Brian Holmes, der das Ende von Public Netbase einmal als unausweichlich bezeichnet hat, weil wir eben alles richtig gemacht haben.