Wahlkabine

ORF FM4-Interview vom 29. April 2009.

 

Am 7. Juni ist Europawahl. Ab heute gibt es wieder einen neuen Fragenkatalog auf der bewährten Onlineplattform “Wahlkabine”. Martin Wassermair, Politikwissenschafter und Miterfinder der Wahlkabine, im Interview.

Wie funktioniert die Wahlkabine?

Martin Wassermair: User und Userinnen beantworten 25 Fragen. Dann präsentiert die Plattform ein Ergebnis, das aussagt, mit welcher Partei die eigenen Ansichten am ehesten übereinstimmen – und wie groß die Distanz zu den jeweils anderen Parteien ist.

Die Wahlkabine gibt es seit 2002. Was ist neu?

Neben den 25 Fragen erklären wir jetzt auch einzelne politische Begriffe, es gibt ein sogenanntes Glossar. Ein Beispiel: Vordergründig hat vielleicht jeder eine Meinung zur Frage des freien Universitätszuganges. Aber viele wissen nicht, wie das in Österreich genau geregelt ist, bzw. wie sich Österreich in dieser Hinsicht von anderen europäischen Staaten unterscheidet – und das versuchen wir zu erklären, in knappen Texten.

Wie habt ihr heuer die 25 Fragen erstellt?

Wir arbeiten einige Monate am Fragenkatalog. Wir selbst sind PolitikexpertInnen und wir laden JournalistInnen verschiedener Medien ein. Gemeinsam entwickeln wir etwa 100 Fragen, die wir als wichtig erachten und gemeinsam diskutieren. Hier geht es nicht nur um Fragen, die ohnehin täglich in den Zeitungen zu lesen sind, derzeit etwa die Finanzkrise oder die Arbeitsmarktpolitik. Sondern es geht auch um Themen, die gar nicht so oft diskutiert werden, zum Beispiel Menschenrechtsverletzungen in Europa, oder die Frage, wie Politik mit dem Phänomen Rassismus umgeht. Es wird überlegt, was tatsächlich wichtig ist, damit auch alle Themen in diesem Spektrum vertreten sind. Dann gibt es eine schwierige Sitzung, wo wir den Katalog auf 25 Fragen eingrenzen.

Warum 25 Fragen?

Es ist ein Ergebnis langjähriger Erfahrungen. 25 ist genau jenes Maß, bei dem Userinnen und User nicht zu ungeduldig werden. Würde es länger dauern, was manche immer wieder fordern, dann wird es doch für viele zu aufwändig. Und zu wenige Fragen dürfen es auch nicht sein, damit wir das Ergebnis sinnvoll kalkulieren können.

War es schwieriger, diesen Fragenkatalog für eine Europawahl zu erstellen, als z.B. für eine Nationalratswahl?

Ehrlich gesagt ja, weil wir alle angesichts dieser europäischen Dimension Neuland betreten. Auch wir müssen eingestehen, dass für uns europäische Themen nicht immer so tagtäglich geläufig sind. Außerdem haben wir die Wahlkabine für die EU-Wahl heuer zweisprachig gestaltet, Deutsch und Englisch, damit wir auch Menschen in anderen Ländern die Möglichkeit geben, bei wahlkabine.at mitzumachen.

Was ist deine persönliche Motivation, die Wahlkabine zu gestalten?

Meine Motivation schöpfe ich sehr stark aus der immer wieder sehr spannenden Erfahrung, dass Politik Spaß machen kann. Da gibt es einen Genuss. Es spornt an zu erforschen, welche Möglichkeiten es angesichts der so oft zitierten ‘Politikverdrossenheit’ gibt. Denn es ist keine Politikverdrossenheit, besonders bei Jugendlichen, sondern eine Verdrossenheit damit, wie sich Politiker darstellen, und wie sie in den Medien dargestellt werden, wo sie im Grunde viel sagen, aber keine Aussage treffen. Meine Motivation ist also, ein anderes Angebot zu stellen. Einen Ansporn zu schaffen, sich mit den Themen auseinanderzusetzen.