__ Alphabet
Im Anfang war das A. Kaum ein historisches Ereignis hat sich so sehr in den überlieferten Weltenlauf eingetragen wie die Erfindung des Buchdrucks und der damit verbundene Anbruch des Gutenbergschen Zeitalters. Mit der Popularisierung des Alphabets ging ab Mitte des 15. Jahrhunderts eine Selbstermächtigung des schier endlos in Unwissenheit gehaltenen einfachen Volkes einher, das sich fortan nicht nur besser zu orientieren wusste, sondern mit seiner zunehmend erworbenen Kenntnis des Lesens und Schreibens auch die immerwährenden Systeme von Macht und Unterdrückung nachhaltig erschüttern konnte.
Mehr als ein halbes Jahrtausend später – so macht es den Eindruck – steht diese Medienrevolution der frühen Neuzeit auf dem Kopf. Während der Alphabetisierungsgrad in den “entwickelten Ländern” mittlerweile über 90% und mehr erreicht, stellt sich neuerdings die Frage, wer eigentlich über die kognitiven Paradigmen unserer schon bald rundum digitalisierten Zukunft verfügen wird. So richtig ins Schwitzen brachte uns “Alphabet” in diesem heißen Sommer durch einen regelrechten Paukenschlag. Google ist nicht mehr Google, so wie wir die Dachmarke kannten, unter der es im Netz zuletzt so richtig unbehaglich geworden ist. Jetzt kommt die ganz große Holding – und der Globus hält bereits den Atem an.
Der zur Datenkrake mutierte Internet-Konzern legt mit diesem vielfach gepriesenen Schritt zu mehr Transparenz vor allem eine Big-Data-Autokratie namens “Alphabet” offen, deren Ausmaß jede digitale Seelsorge an die Grenzen stößt: Google-Suchmaschine, die Videoplattform Youtube, das Mobil-System Android sowie die davon abgeschälten Bereiche der Innovationsforschung, Life Sciences, selbstfahrende Google-Autos, Smart-Technologies für den Haushalt und – nicht zu vergessen – Google Ventures und Google Capital. Ein Totalzugriff auf das Wesen Mensch! Vorerst empfiehlt sich mehr Kühnheit beim Anblick der Realitäten. Vor allem aber werden wir uns von nun an unweigerlich daran gewöhnen müssen, dass Alphabetisierung nicht immer nur Gutes mit sich bringt.