Der Sensationshunger der Boulevardpresse peitscht auch den Fußball vor sich her. Wann kommt unter den großen Stars das erste schwule Coming-Out? Was entblößt der Blick ins Guckloch der Spielerinnenkabinen? Das quotengierige Los des Jahres 2010 fiel vermutlich auf die Frauen-Nationalmannschaft aus Äquatorialguinea, die in gackernden Schlagzeilen einmal um den Globus getragen wurde.
Den Anlass bot allerdings nicht die Qualifikation zur Teilnahme an der Frauenfußball-WM 2011, mit der wohl niemand gerechnet hatte. Über Äquatorialguinea ist außerhalb Afrikas nicht viel bekannt. Diese Unkenntnis hat auch in Deutschland dazu geführt, dass der zentralafrikanische Kleinstaat etwa in einem an jedem Kiosk erhältlichen Pocket-WM-Planer unter Asien gelistet ist. Das fällt scheinbar niemandem auf, obwohl die in Malabo geborene Genoveva Anonma als Torjägerin beim USV Jena schon seit zwei Jahren sportliches Ansehen genießt. Sie war es auch, die gemeinsam mit ihrer Teamkollegin Salimata Simpore plötzlich im Rampenlicht stand, nachdem beim Kontinentalverband CAF eine ungewöhnliche Klage aus Nigeria eingetroffen war. “Es spielen”, so die nigerianische National-Trainerin Eucharia Uche, “mindestens zwei Männer im Team von Äquatorialguinea. Die Verantwortlichen müssen sofort handeln!”
Der Vorwurf blieb nicht ohne Folgen. Zunächst war da die Erinnerung an die südafrikanische Leichtathletin Caster Semenya, die ihre Konkurrenz im 800-Meter-Finale der Leichtathletik-WM 2009 in Berlin mit beachtlichen zwei Sekunden Distanz hinter sich gelassen hatte. Noch vor dem Zieleinlauf wurden Beschwerden laut, dass dieses Ausnahmetalent aufgrund des maskulinen Aussehens, der tiefen Stimme und der so kurzfristigen Leistungssteigerung unmöglich eine Frau sein könne. Die Sportverbände gerieten daraufhin in bislang unbekannte Schwierigkeiten, wie mit dem Einordnungsproblem bei möglicher Intersexualität zu verfahren sei. Nach langem Bangen und Warten wurde Semenyas Titel dennoch nicht aberkannt, sie darf weiterhin bei den Frauen starten.
Genoveva Anonma hält sich von diesem innerafrikanischen Hickhack besser fern. Um sich der verletzenden Debatte nicht tatenlos auszusetzen, ist sie schon vor Jahren mit der Einwilligung zum Geschlechtstest nach vorne gestürmt. “Seit 2006 sehe ich mich mit derartigen Vorwürfen konfrontiert, weil ich antrittsschnell und kräftig bin – aber eben als Frau!” Anfang März hat die FIFA die medialen Scharmützel vorerst für beendet erklärt. Es spielen, so die offizielle Entscheidung des höchsten Fußballverbandes, keine Männer im Frauenteam von Äquatorialguinea. Am 17. Juli werden mit dem Schlusspfiff des Finales die Weltmeisterinnen unstrittig ermittelt sein. Die leidige Frage, ob biologischer Mann, ob nur ein bisschen oder doch einwandfreie 100prozentige-Bio-Frau, wird dem Frauen-Fußball wohl weiterhin erhalten bleiben.