Kriege: Wie Journalismus Hoffnung geben kann

Neues Buch mit Texten über Medien in Kriegszeiten

Am 26. Juni 2025 veröffentlichte das Branchenmagazin HORIZONT einen Beitrag über mein Buch Unter weißer Flagge – Medien und Haltung in Zeiten des Krieges.

Kriege: Wie Journalismus Hoffnung geben kann

Der Generalsekretär von Reporter Ohne Grenzen (RSF) Österreich, Martin Wassermair, hat ein Buch mit Texten über Medien in Kriegszeiten zusammengestellt.

Bericht von Daniel Kortschak

Der Titel des Buchs könnte nicht aktueller sein: „Unter weißer Flagge – Medien und Haltung in Zeiten des Krieges“. Geschrieben hat es Martin Wassermair, Leiter der Politikredaktion beim Linzer Communitysender DorfTV und Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich. Die zwölf Texte basieren auf Gesprächen, die im Studio für DorfTV geführt wurden und sind für das Buch entsprechend adaptiert worden. Entstanden sei die Idee dazu im Jahr 2022 nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine, sagt Wassermair im Gespräch mit HORIZONT. „Ich habe sehr schnell ein großes Unbehagen verspürt und mir die Frage gestellt, wie kritischer Journalismus dem Krieg begegnen soll. Das Töten mit Hightech-Waffen und die massive Zerstörung produzieren Bilder, die – oft in Form von in Sekunden gefassten Kurzclips – auf uns wie entrückt wirken.“ Wichtig in der Diskursreihe auf DorfTV sei ihm auch gewesen, Konflikte in ihren Widersprüchen und auch aus einer zivilen Perspektive zu zeigen, erklärt der Historiker und Politikwissenschaftler Wassermair, der sich seit seiner Studienzeit mit den Bedrohungen durch Gewalt und Unterdrückung auseinandersetzt. Und schon seinen Zivildienst hat der 1971 geborene Familienvater, der in Linz lebt, beim Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands geleistet, wo er bei der namentlichen Erfassung der österreichischen Schoah-Opfer mitwirkte.

Für seine TV-Reihe und das daraus entstandene Buch habe er auf eine möglichst vielseitige und vielschichtige Betrachtung der Themen Krieg, Flucht und Frieden geachtet, sagt Wassermair. Wichtig sei ihm dabei auch ein breiteres Verständnis der medialen Kontexte gewesen. „Aus diesem Grund habe ich Persönlichkeiten mit großer Erfahrung in der Kriegsberichterstattung, also etwa Petra Ramsauer, Mirjana Tomic und Elias Bierdel, mit Expertisen aus der Friedensforschung, namentlich Reiner Steinweg und Daniela Ingruber, sowie auch mit internationalen Einordnungen im Zusammenhang mit Flucht und Migration eingeladen – das waren insbesondere Judith Kohlenberger und Vedran Dzihic.“ Aber auch die Ausführungen von Sabine Schiffer zu Medien als Instrumente der Kriegspropaganda und die medienethischen Betrachtungen von Luis Paulitsch hätten ihn sehr interessiert, ebenso die psychologischen Darlegungen zu Kriegsmotiven in der Gaming-Kultur von Bernad Batinic und die abschließenden Erzählungen vom Frieden als Sehnsuchtsort des Films von Nina Kusturica. „Daraus ist eine sehr aufschlussreiche Sammlung wichtiger Positionen und Sichtweisen entstanden, die der weiteren Auseinandersetzung zu Medien und Haltung in Zeiten des Krieges wertvolle Anregungen bieten kann.“ Anregungen, die sich Journalist:innen zu Herzen nehmen sollten, findet Wassermair. Denn den Medien komme die große Aufgabe zu, die Sorgen und Nöte vieler Menschen ernst zu nehmen und ihnen auch Gehör und Sichtbarkeit zu verschaffen. Außerdem könnten sie Narrative entwickeln, die den Menschen Mut machen und sie in ihrer Zuversicht auf eine Welt in Freiheit und Frieden bestärken. Das Buch „Unter weißer Flagge – Medien in Zeiten des Krieges“ soll dazu auch als Nachschlagewerk dienen.

Die Langfassung erschien am 10. Juli 2025 in der Online-Ausgabe.

 

Martin Wassermair: „Journalismus kann Gehör und Sichtbarkeit geben“

Von Daniel Kortschak

Martin Wassermair, Politikredakteur beim oberösterreichischen Community-Sender DorfTV und Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich, hat ein Buch mit Texten über die Rolle der Medien in Kriegszeiten zusammengestellt.

HORIZONT: „Medien und Haltung in Zeiten des Krieges“ – der Untertitel des Buches könnte aktueller nicht sein. Die Genese des Werks reicht aber schon etwas länger zurück – es basiert auf einer TV-Reihe in DorfTV . Wie kam es zur Idee?

Es gab für mich mehrere Anstöße. Zunächst stand auch ich 2022 nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine unter dem Eindruck der Darstellungen, die über unzählige Medienkanäle täglich auf uns hereingestürzt sind. Ich habe sehr schnell ein großes Unbehagen verspürt und mir die Frage gestellt, wie kritischer Journalismus dem Krieg begegnen soll. Das Töten mit Hightech-Waffen und die massive Zerstörung produzieren Bilder, die – oft in Form von in Sekunden gefassten Kurzclips – auf uns wie entrückt wirken. Da ist vor allem auch in der Berichterstattung und Analyse des Geschehens große Verantwortung gefordert. Schließlich war für die Diskursreihe auf DorfTV auch ausschlaggebend, wie es gegenwärtig um Friedensjournalismus ganz allgemein bestellt ist. Da geht’s nicht zuletzt darum, Konflikte in ihren Widersprüchen und vor allem auch aus zivilen Perspektiven zu beleuchten, die ansonsten kaum Beachtung finden.

Die Auswahl der Gesprächspartner:innen ist sehr breit gestreut – was waren die Kriterien dafür, sie einzuladen?

Ich bin bei meinen Überlegungen von einem breiteren Verständnis der medialen Kontexte ausgegangen. Aus diesem Grund habe ich Persönlichkeiten mit großer Erfahrung in der Kriegsberichterstattung, also etwa Petra Ramsauer, Mirjana Tomić und Elias Bierdel, mit Expertisen aus der Friedensforschung, namentlich Reiner Steinweg und Daniela Ingruber, sowie auch mit internationalen Einordnungen im Zusammenhang mit Flucht und Migration eingeladen – das waren insbesondere Judith Kohlenberger und Vedran Džihić. Mich interessierten aber auch die Ausführungen Sabine Schiffers zu Medien als Instrumente der Kriegspropaganda, die medienethischen Betrachtungen von Luis Paulitsch sowie die psychologischen Darlegungen zu Kriegsmotiven in der Gaming-Kultur von Bernad Batinic und die abschließenden Erzählungen vom Frieden als Sehnsuchtsort des Films von Nina Kusturica. Daraus ist eine sehr aufschlussreiche Sammlung wichtiger Positionen und Sichtweisen entstanden, die der weiteren Auseinandersetzung zu Medien und Haltung in Zeiten des Krieges wertvolle Anregungen bieten kann.

Ein TV-Gespräch in Schriftform zu bringen, erst recht für ein Buch – das kann eine ziemliche Herausforderung sein. Wie ist es gelungen, die Texte so gut lesbar zu machen?

Das war schon eine Herausforderung. Vor allem mussten die Gespräche für das Buch zur Sendereihe gekürzt werden, das bringt oft eine schwierige Abwägung mit sich, welche Textanteile für die gedruckte Veröffentlichung zu streichen sind. Letztlich war aber auch ich sehr erstaunt, dass die Beiträge sehr gehaltvoll geblieben sind und einander wunderbar ergänzen. Neben dem Online-Archiv von DorfTV steht allen Interessierten mit „Unter weißer Flagge“ nun auch ein Nachschlagewerk zur Verfügung, das sich tatsächlich sehr gut lesen lässt.

Zu Ihrer persönlichen Biografie: Sie haben Geschichte und Politikwissenschaft studiert, Ihren Zivildienst im DÖW gemacht, wo Sie bei der Erfassung der Shoah-Opfer mitgewirkt haben. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt, Krieg und Tyrannei beschäftigt Sie also schon länger – was interessiert Sie daran so?

Ich interessiere mich schon seit jeher für die Grundvoraussetzungen einer demokratischen und freien Gesellschaft sowie für deren Bedrohung durch Gewaltherrschaft und Unterdrückung. Historische Analysen bieten brauchbare Ansatzpunkte, um auch moderne Formen von Krieg, Willkür und Despotismus besser zu verstehen und sich dagegen aufzulehnen. Journalistische Herangehensweisen sind dabei besonders gefordert, denn sie tragen wesentlich zu einer differenzierenden Meinungsbildung bei und können auch Narrative entwickeln, die den Menschen Mut machen und sie in ihrer Zuversicht auf eine Welt in Freiheit und Frieden bestärken. „Journalistische Herangehensweisen sind besonders gefordert. Sie tragen zu einer differenzierenden Meinungsbildung bei und können auch den Menschen Mut machen und sie in ihrer Zuversicht auf eine Welt in Freiheit und Frieden bestärken.“

Auch in Ihrer wissenschaftlichen Abschlussarbeit „Beethovens ‚Fidelio‘ und die Freiheit Österreichs“ spielen Tyrannei, Kerker, Unfreiheit eine Rolle. Aber auch Hoffnung, Rettung und Befreiung – haben Sie diese Hoffnung heute immer noch – angesichts der multiplen Krisen und Kriege auf der Welt?

Das Motiv von Beethovens einziger Oper wird immer bedeutsam bleiben. Im Jahr 2024 gab es 61 Kriege in 31 Ländern – das ist die höchste Anzahl militärischer Konflikte seit dem Zweiten Weltkrieg. Dazu kommt die völlige Verwüstung großer Landstriche, womit enorme Schäden für Klima und Umwelt einhergehen. Die Hoffnung auf Rettung wird auch Musik und Literatur weiterhin stark beeinflussen. Für den Journalismus leitet sich daraus die große Aufgabe ab, die Sorgen und Nöte vieler Menschen ernst zu nehmen und ihnen auch Gehör und Sichtbarkeit zu verschaffen. Das erfordert Mut und Überzeugung, dass aus der Teilhabe an der medialen Bedeutungsproduktion auch neue Lösungen für Krisen und Konflikte hervorgehen können.