Gute Medien in schlechten Zeiten?

Die Nichtkommerziellen sollten die Ungunst der Stunde nutzen!

Der nichtkommerzielle Rundfunk hat in Österreich mittlerweile seinen Platz gefunden. Im September 2025 feierte das Freie Radio in Freistadt (OÖ) das Jubiläum des 20-jährigen Bestehens. Der 2005 in Wien gegründete Community-Sender OKTO schließt sich noch im November dem Jubel an, nach einer komplizierten Adoleszenz endlich kein Teenager mehr zu sein. Die Kinderschuhe sind bei allen 14 Freien Radios und drei TV-Stationen mittlerweile abgelegt, damit verbinden sich aber auch zahlreiche Erinnerungen an die Anfänge und die Beweggründe, die vom ORF-Monopol so lange dominierte Medienlandschaft mit neuer Vielfalt zu bereichern. Nach dem endgültigen Fall des österreichischen Rundfunkmonopols 1998 sollten neue (Gegen-)Öffentlichkeiten hergestellt werden, die sich Gehör verschaffen, sich in Kultur, Politik und Gesellschaft einmengen, mediale Kompetenz vermitteln und damit ein demokratisches Versprechen einlösen: die selbstbestimmte Teilhabe am Gemeinwesen.

In all diesen Jahren veränderten sich nicht nur Programmangebote und das Zusammenwirken mit den Sendungsmachenden in Stadt und Land. Um im medialen Gefüge von Digitalisierung und Marktmacht den eigenen Stellenwert zeitgemäß zu begründen, haben Diskussionen Fahrt aufgenommen, wie denn angesichts von Desinformation, Fake News und Propaganda neue Formen von Diskursen und Berichterstattung, die auf die Stärkung des zunehmend in Mitleidenschaft geratenen Vertrauens gegenüber Medien abzielen, sinnvoll verwirklicht werden können. Der nichtkommerzielle Rundfunk muss nun schon seit geraumer Zeit zur Kenntnis nehmen, dass um ihn herum die Medienökonomien schwere Einbrüche zu erfahren haben, auf Qualität bedachte Informationsleistungen immer öfter einem reißerischen Clickbaiting geopfert werden und dadurch große Lücken aufbrechen, die sich illiberale und rechtspopulistische Kräfte auf ihrem Stimmenfang erfolgreich zunutze machen.

Was aber können Freie Radios und Community-TV-Sender dem entgegensetzen? Ihre Reichweiten nehmen sich bescheiden aus, die meist prekäre Finanzlage zwingt zu technologischem Flickwerk, das Engagement für die Sicherstellung einer Programmvielfalt erfolgt über weite Strecken unbezahlt. Hinzu kommt, dass von den Förderstellen die Forderungen immer lauter zu vernehmen sind, der zivilgesellschaftliche Mediensektor müsse mehr durch Innovationen überzeugen, sich noch weiter professionalisieren und für sich selbst ambitionierte journalistische Ansprüche geltend machen.

Wie aber sind Journalismus und eine handwerklich konventionsgetreue Redaktionsarbeit in den Reihen der Nichtkommerziellen anzuwenden. Ein „More of the same“ würde den Ursprungsprinzipien widersprechen, obendrein sieht sich kaum jemand in der Lage, mit privat-kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Quotenbringern in einen Wettbewerb zu treten. Dennoch gibt es Ansätze, die es verdienen, in Freien Medien erprobt zu werden. „Die Maximen einer redaktionellen Gesellschaft liegen bereits vor“, zeigte sich der renommierte Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen bereits im Jahr 2018 überzeugt, „sie müssen lediglich aus ihrer allzu engen Bindung an eine einzige Profession gelöst und als Elemente einer allgemeinen Kommunikationsethik vorstellbar gemacht werden.“ Damit soll die mediale Veröffentlichung nicht mehr nur Journalistinnen und Journalisten vorbehalten bleiben, sondern ein übergeordnetes Ziel verfolgen. Die Gesellschaft an sich solle zahlreiche Möglichkeiten vorfinden, „sich auf eine möglichst direkte, schonungslose und wahrheitsorientierte Art und Weise selbst zu beschreiben, ihre vielschichtigen und verstreuten Interessen zu sortieren und auszudrücken und auch Ohnmächtigen und Marginalisierten Stimme und Sichtbarkeit zu verschaffen, deren Einsichten und Ansichten sonst öffentlich nicht verfügbar wären.“

Pörksen hat mit seinen Überlegungen zur „Redaktionellen Gesellschaft“ der Medienwelt sehr eindrücklich ins Stammbuch geschrieben, dass partizipative Formen der Ermächtigung „für eine lebendige Demokratie unabdingbar“ seien. Wer aktuell in die Welt blickt, hat die vielen Gefahren für Meinungsvielfalt und Pressefreiheit bereits unmittelbar vor Augen. Der nichtkommerzielle Rundfunk sollte die beunruhigenden Szenarien von Repression und Unterdrückung als die Ungunst der Stunde nutzen, um demokratische und gemeinwohlorientierte Antworten und Perspektiven auf die vielen Probleme und Konflikte unserer Zeit unter breiter Beteiligung öffentlich zu debattieren – und um damit auch neue Gefolgschaften zu gewinnen.

Martin Wassermair ist Historiker, Politikwissenschaftler, Publizist; aktuell Leiter der Politikredaktion bei DORFTV und Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich.