1983 gelang Keckermann mit seinen Reiseplänen der lang ersehnte Durchbruch. Hatte die Generation der Väter bei der Erschließung fremder Welten noch unverbesserlich mit der Erinnerung an die Deutsche Wehrmacht das Auslangen gefunden, so brachen in diesem Jahr die Jungen endlich zu neuen Ufern auf. Niemand wusste über das Ziel der Reise genau Bescheid. Und dennoch gelang es Keckermann, der jugendlichen Sehnsucht nach der Ferne einen Eindruck davon zu vermitteln, wohin der Weg in etwa führen sollte: Zum Cap der guten Hoffnung.
Das Angebot verlockte. Von revolutionären Impressionen war auf bunt bebilderten Prospekten zu lesen. Auch von neuen Formen des Kulturellen. Und Keckermann bestach vor allem durch sein Äußeres. Aufrührerisch, frei und ungezwungen – geradezu ein kecker Mann. Einem solchen Reiseleiter schenkte die Jugend gerne ihr Vertrauen. In Heerscharen fand sich die Gesellschaft dann auch an den Ausgangspunkten der Reise ein. Gezählte 63.000 votierten in Schulen, Dorfgasthäusern und Magistratsämtern für die gemeinsame Destination. Und selbst jene, die das erforderliche Mindestalter noch gar nicht erreicht hatten, führten fintenreich ihre Omis an der Hand, um auf diese Weise ein Ticket zu erschleichen. Den Mitbewerbern blieb am Sonntagabend nur das Staunen.
Keckermann entstammte einem Unternehmen mit alter Tradition. Er wusste, dass ein Erfolg seiner Erneuerungsvorhaben nur mit Erlebnissen außerhalb der Konventionen zu erzielen war. Das Reiseprogramm setzte demgemäß auf die neuesten Trends der körperlichen und moralischen Ertüchtigung. Vorbei war die Zeit der Maschinenpistolen, ab sofort zählte nur noch das Laufen bis zur Erschöpfung. Und auch der Aufbruch ins Land am Billigstrome sollte nicht mehr nur den Begüterten vorbehalten bleiben. Keckermann zeigte sich gerade für all jene offen, deren Einkommen deutlich unter jenem des Bundeskanzlers lagen. Es lohnte sich auf jeden Fall, mit ihm den Weg zum Cap der guten Hoffnung anzutreten.
Doch irgendwann kam alles anders: Zwar sorgte der emporstrebende Reiseleiter nachhaltig dafür, dass die Reise nicht ganz so schnell in Vergessenheit geriet. Zu groß war der Genuss, zu erlesen die Güte des einen oder anderen Tropfen roten Weines. Doch das Reiseziel erreicht zu haben, davon weiß niemand zu berichten. Kein Foto im Erinnerungsalbum zeugt von der Ankunft am Cap der guten Hoffnung, keine mündliche Überlieferung von neuen Ufern, die Keckermann zuvor versprochen hatte. Die Passagiere wurden von einem Ballon mit heißer Luft vorangetrieben, die roten Segel von Keckermann in den Wind gesetzt. Von der Stelle kamen sie bis heute nicht.
Dem traditionsreichen Hause blieb Keckermanns Ungeschick über die Jahre nicht verborgen. Und dennoch konnte er mit großer Nachsicht rechnen. Schließlich war aus dem unbändigen Rebellen ein Mann mit beachtlichem NATOrell geworden. Ein loyaler Agent mit Sinn für Kunst und Hedonismus. Die große Familie übertrug ihm daher die angesehene Aufgabe der Animation von kultureller Politik. Keckermanns Gleichgewicht geriet in schwerwiegende Turbulenzen.
Zerrissen von Fern- und Heimweh eilte er von Ort zu Ort und versäumte stets die besten Vorstellungen und Matches. Warum wurde ausgerechnet er als roter Streiter für die unglücksbehaftete Kultur ausgewählt? Die Rhetorik war sein Feld, das geschliffene Wort sein Markenzeichen. “Gegenöffentlichkeit”, “Freie Radios”, “Künstlersozialversicherung”, “Werkvertragsregelungen” – aus diesem Stoff waren Keckermanns Träume nicht beschaffen. Geradezu barbarisch alleine die Vorstellung, dafür einzutreten, dass die Hand, die einen füttert, sehr wohl gebissen werden muss. Keckermann griff zur Flasche Schilcher.
Mit der Zeit folgten dem roten Hause auch die roten Zahlen. Die Kunden blieben aus, die Organisation verlor an Prestige und Vertrauen. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Konkurseröffnung, Neustrukturierung, Reorganisation. Neue Ziele mussten gefunden werden, der exploratische Instinkt der Massen wiederum erweckt. Jetzt war Keckermanns Stunde erneut gekommen. Aus Keckermann wurde Klubobmann, und einmal mehr liegt die Verantwortung für atemberaubende Reisen in seinen Händen. Am 1. Juli 2001 wird gestartet. Motto und Ziel “Back to the future”.
Reisende soll man bekanntlich an ihrem Tun nicht hindern. Und so lassen ihn die Kulturschaffenden dieses Landes ziehen. Voller Neugierde blicken sie sich dennoch um. Tauchen da nicht auch andere Gestalten am Horizont auf? Apokalyptische Reiter? Lichtgestalten? Und was tragen sie im Gepäck? Jausenbrote? Regenschutz? Aufstiegshilfen?
Ob das Cap der guten Hoffnung jemals zu erreichen ist, bleibt weiterhin im Verborgenen. Die bisher Geprellten haben leider Pech. Kein Konsumentenschutz hat sich des Falles jemals angenommen.