Hand aufs Herz! Wer erinnert sich eigentlich noch an den Linzer Kulturentwicklungsplan? Dabei wurde der KEP, so das trendbewusste Akronym der auf Modernisierung bedachten Stadtverwaltung, noch Ende der neunziger Jahre wie ein flotter Muntermacher gehandelt, der dazu angetan sei, auch anderswo rege Nachahmung zu finden. Und tatsächlich folgten weitere Kommunen dem Musterbeispiel eines partizipativen Verfahrens, das es zum gemeinschaftlichen Ziel erklärte, urbane Zukunftsszenarien zu entwerfen und der Kulturpolitik als Navigations- und Steuerungssystem zu neuer Geltung zu verhelfen. Ohne spektakuläre Weichenstellungen kann daraus nichts werden. Das wussten damals alle, die irgendwie daran beteiligt waren – und dazu zählte auch die Freie Szene.
Ein gerechter Anteil des Kuchens wurde den in ihrer Vielfalt schillernden Initiativen und Projekten in Aussicht gestellt, eine finanzielle Gleichstellung mit den Häusern und Institutionen der Traditions- und Repräsentationskultur. Plötzlich war Nachhaltigkeit in aller Munde, nicht zuletzt im Hinblick auf die Bedeutung offener und soziokultureller Räume. Das letztlich aufwändig bedruckte Papier versprach aber auch die Symmetrie der Geschlechter sowie die gesellschaftliche Relevanz neuer Medien. Linz war im Wettbewerb der Städte den anderen fortan mehr als nur eine Nasenlänge voraus.
Ein knappes Jahrzehnt später zeigt die Stahlstadt eine lange Nase und stellt damit vor allem klar, dass von den Weichenstellungen bestenfalls das Spektakel übrig geblieben ist. Wenige Monate vor Auftakt der europäischen Kulturhauptstadt Linz 2009 blickt die Freie Szene in ein Jammertal. Und ja: Die Maschine brennt! Die Dramatik, die mit einem unter diesem Titel bezeichneten Manifest der Freien Kulturszene zum Ausdruck kommt, hat ihre guten Gründe. Die Verheißungen einer gerechten Teilhabe an den Ressourcen der Stadt haben sich in ihr Gegenteil gekehrt, nun werde den einstmals “kritischen, kritikfähigen, innovativen, experimentell erprobten und bewährten Potentialen” ein Mangel an Internationalität und künstlerischer Qualität attestiert. Die Millionen-Show des fürstlich dotierten Intendanten Martin Heller wirft jedenfalls nicht einmal kleinste Krümel für die Freie Szene ab. So weit so verwunderlich?
Die Stadtverantwortlichen führen der Öffentlichkeit nunmehr Realitäten vor Augen, an die im Netzwerk von Stadtwerk, KAPU, Radio FRO und Time’s Up manche offensichtlich nicht glauben wollten. Für sie liegen allfällige Auswegmöglichkeiten nicht in der Agonie oder gar Depression. Nach Monaten und Jahren des fruchtlosen Dialogs ist die über die paralysierende Zahl 2009 hinausreichende Konfrontation mit der Stadt unausweichlich. Den Resolutionen und mahnenden Briefen müssen nun intelligente Interventionen und Manöver folgen. Bis dahin bleibt Linz verwechselbar.