Die WM-Vorbereitungen haben zu schweren Verstimmungen im Gemütsleben Kameruns geführt. Während immer mehr Endrundenteilnehmer von verletzungsbedingten Ausfällen wichtiger Aushängeschilder berichten mussten, waren die Blessuren bei den “unbezwingbaren Löwen” eher psycho-emotionaler Natur – mit noch nicht absehbaren Folgen.
Als Auslöser erwies sich einmal mehr der mächtige Roger Milla. Kameruns Legende hatte schon des Öfteren in aller Öffentlichkeit mehr Einsatzbereitschaft für die Aufgaben und Ziele der Nationalelf eingemahnt. Ende Mai sorgte er mit seiner öffentlichen Schelte für Samuel Eto’o jedoch für ein lang anhaltendes Donnerwetter. Was auch nicht verwundert, denn noch wenige Tage zuvor hatte die Fußballwelt bereits zum dritten Mal die Champions-League-Trophäe in den Händen des 29-jährigen Teamkapitäns bestaunt.
Die aufgeregten Debatten beherrschen seither nicht nur TV-Berichte und Kneipengespräche, sie werden auch für das noch keineswegs WM-taugliche Abschneiden in den Testspielen verantwortlich gemacht. Eine 3:4-Niederlage gegen Serbien, davor mit 1:3 von den Portugiesen regelrecht gedemütigt. Zu allem Überdruss sah Eto’o dabei die erste rote Karte im Trikot der “Löwen”, um anschließend der Welt wehleidig zu drohen, gar nicht erst nach Südafrika zu reisen, wenn das Ansehen seiner Person weiterhin beschädigt werde.
Der Zeitpunkt des Zwists könnte ungünstiger nicht sein. Zugleich war er aber unausweichlich, weil sich in der Abfolge der Generationen die Entwicklung des globalen Fußballs widerspiegelt. Auf der einen Seite die ewige Legende Milla, dessen WM-Triumphzüge 1990 für Kameruns Nationalgeschichte so bedeutsam sind, dass die eher mittelklassige Klubvergangenheit besser ausgeblendet bleibt. Auf der anderen Seite das für das internationale Marketing unverzichtbare Jugend-Idol Eto’o, der wie kein anderer vor ihm die afrikanischen Prestigewerte im europäischen Vereinsfußball nach oben verschoben hat.
Der Kameruner Blog Atangofoot fühlte sich jedenfalls an das Schicksal des Ödipus erinnert, der – angesichts der Last des Vermächtnisses – nur im Vatermord den Ausweg sah. Tatsache ist, dass Samuel Eto’o noch immer auf anerkennenden Beifall des alternden Königs der “Löwen” wartet. Dieser Wunsch wird sich ihm im Laufe der WM 2010 wohl ebenso wenig erfüllen, wie die Hoffnung auf ein Erreichen des Halbfinales. Denn damit wäre selbst Roger Milla übertroffen und der Weg frei auf den Königsthron im Pantheon der Fußballhelden Kameruns.