Pastorale Digitale I

Polit-Seelsorge für das Unbehagen im Netz

__ Sexting

Sodom und Gomorrha! Nun haben die unwägbaren Weiten der digitalen Kommunikation auch die Idylle unseres gottesfürchtigen Heimatlandes aufgescheucht. Das “Sexting”, so der phänomenologische Begriff für das Verschicken und den Austausch eigener Nacktaufnahmen über mobile Endgeräte, macht sich einer aktuellen Studie zufolge nun auch unter Österreichs Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren breit. Aus dem Datenmaterial verdient eine Zahl besondere Beachtung: Ganze 31% der Befragten betrachten die nackte Selbstdarstellung zum Zwecke eines Beweises der jungen Liebe mittlerweile als “normal”.

Die Aufregung ist seither groß. Wie können wir unsere Kinder im Netz nur vor einem derart sündigen Verhalten und, damit verbunden, vor einem allfälligen Missbrauch schützen? Die Debatte lässt hier zur sprichwörtlichen Kirche wieder einmal das Dorf vermissen. Keine Frage: Wenn Nacktbilder von Minderjährigen verbreitet oder medial veröffentlicht werden, ist das österreichische Strafrecht gefordert. Doch die Entrüstung sollte sich auf dem zweiten Auge nicht als blind erweisen: Eine Schuldumkehr ist völlig fehl am Platz!

Die sich vor allem in Sozialen Netzwerken exponierenden Youngsters nutzen heute Medien, die die Generation ihrer Eltern für sie geschaffen hat. Internet-Technologien bieten ihnen die Möglichkeit, eigenständige Bilderwelten zu kreieren – und damit auch Orientierung in dem für sie bedeutsamen Kosmos der Sexualität. Mit dem Selfie finden junge Menschen auch Bestätigung, vor allem aber jene, die sich in der unnachgiebigen Verwertungslogik von Schönheitsindustrie und Massenmedien nicht wiederfinden wollen.

Und nicht zu vergessen: Albrecht Dürer hat’s getan, genauso wie Jahrhunderte später Egon Schiele und Yoko Ono. Vielleicht zeichnet sich in den jüngsten Entwicklungen des Sextings sogar ein jugendkultureller Trend zum Widerstand gegen den Beautywahnsinn ab. Noch wissen wir das nicht genau – sehr wohl aber, dass Erwachsene im Hinblick auf die sexuellen Bedürfnisse von Jugendlichen und ihrem Netzverhalten gelegentlich auch mal die Klappe halten könnten.

die KUPFzeitung