Nicht ganz Kamerun weint dem missglückten Aufstieg ins Achtelfinale nach. Die Opposition sieht endlich die Zeit gekommen, an der Machtposition von Präsident Paul Biya zu rütteln. Raymond Domenech kommt weder als Gegenkandidat noch als Nachfolger von Teamchef Paul Le Guen in Frage.
In Yaoundés Stadtteil Tsinga, der in Kameruns Regierungsmetropole einen etwas längeren Anfahrtsweg erfordert, ist die Anzahl der dunklen Limousinen spätestens seit der 1:2-Niederlage der “Löwen” gegen Dänemark merklich angestiegen. Auf den im Nordwesten gelegenen Anhöhen befindet sich das geschäftige Zentrum des kamerunischen Fußballverbands Fecafoot. Das frühzeitige Ausscheiden der “Löwen” wird gemeinhin als große Blamage und Schande empfunden. Wenig verwunderlich also, dass sich die Aufregung nun auch in der Hektik der nationalen Verbandsverantwortlichen widerspiegelt.
Unterdessen macht sich in den Medien des Landes die fatalistische Überzeugung breit, dass das schwache Ergebnis bei der WM 2010 mit der Untergangsstimmung beim ehemaligen Kolonialherren Frankreich verglichen werden muss. Das soll nicht nur den Überdruss mit Trainer und Spielern zum Ausdruck bringen, die hier wie dort am besten mit nassen Fetzen von der öffentlichen Bildfläche zu verjagen sind. Nein, es rückt die Ehre einer ganzen Nation in den Mittelpunkt, deren Beschädigung durch den ausbleibenden Erfolg in Südafrika auch realpolitische Konsequenzen nach sich zieht.
Doch während Nicolas Sarkozy mit napoleonischem Ehrgeiz staatsmännische Durchsetzungskraft demonstriert, etwa indem er Thierry Henry zum klärenden Gespräch in den Élysée-Palast zitiert, reibt sich Kameruns seit Jahren schwächelnde Opposition die Hände. Die schmähliche Heimkehr der “Unbezwingbaren” um Samuel Eto’o, so die aufkeimende Hoffnung, habe nun endlich auch den Anfang vom Ende der Amtszeit Paul Biyas eingeläutet. Jeder Sieg der Löwen hätte Kameruns Staatspräsidenten zu einer nochmals gefestigteren Machtstellung verholfen, umso erfreulicher also, dass nun die Niederlagen das so lange ersehnte Wasser auf die Mühlen der Opposition bringen. So sieht etwa der kritische Publizist Francois Lasier die Zeit gekommen, “die Sport-Politik von Grund auf zu erneuern und Kamerun wieder zu jenem Glanz von 1990 zu verhelfen, der am Friedhof aus Korruption und Faulheit zu Grabe getragen wurde”.
Doch bis zu den Präsidentschaftswahlen 2011 ist es noch ein langer Weg. Paul Le Guen, Kameruns Nationaltrainer aus der fernen Bretagne, wird von seinem Dienstgeber keine so lange Galgenfrist erwarten dürfen. Dann wird sich ein neuer Hasardeur auf das verminte Terrain der Löwenbändigung begeben. Ob Raymond Domenech zu den aussichtsreichen Kandidaten gerechnet werden darf, ist fraglich. Denn gegenwärtig haben französische Legionäre auf der Trainerbank auch in Kamerun ganz schlechte Karten.