Collateral Damage

Franz Moraks Kulturpolitik setzt auf die Vorbildwirkung von Schwarzenegger-Filmen

Kunststaatssekretär Franz Morak hat großes Glück, dass manche Quatschkolumne dieses Landes trotz der anhaltenden Schmähungen ungebrochen für ihn offen steht. Am 17. Mai erfuhr er im KURIER eine sonderbare Würdigung. Der Inhalt des ansonsten mit Society-Belanglosigkeiten aufgefüllten Kastens: Die mobile Nutzung neuester Informationstechnologien im Zutrittsbereich zum Bundeskanzleramt und die unabsehbaren Gefahren, die diesem mitunter innewohnen. Karl Hohenlohe, der Urheber der Anekdote, kam bei der Handhabung seines WAP-Handys unversehrt davon – in allerletzter Sekunde. Franz Morak eilte der niederschmetternden Wucht des stählernen Eingangstores zuvor und dem Bedrohten rechtzeitig zur Hilfe. Das war’s auch schon.

Adabeis sind nicht von kulturpolitischem Interesse. Dennoch darf man Karl Hohenlohe dankbar sein. Vor zwei Jahren hatte Kunststaatssekretär Franz Morak zu seinem Amtsantritt erklärt, dass Neue Medien einen der Arbeitsschwerpunkte bilden werden. Heute kann der in der Kolumne destillierte Nonsens endgültig als Indikator für den Nonsens einer ganzen Politik betrachtet werden.

Das Bild des Lebensretters Franz Morak wird der Nachwelt jedenfalls nicht erhalten bleiben. Im Gegenteil: Alleine in diesem Frühjahr wird das reale Schadensausmaß der bisherigen medienpolitischen Maßnahmen im Kulturbereich immer deutlicher. Die Struktur der Freien Radios wurde in den vergangenen zwei Jahren durch die Finanzierungsweigerung des Bundes so sehr beeinträchtigt, dass die weitere Existenz und damit die jahrelange Aufbauarbeit einzelner Stationen ernsthaft in Frage gestellt ist. Und zuletzt musste auch die Wiener Netzkultur-Institution Public Netbase Mitte Juni zur Kenntnis nehmen, dass angesichts der weiter fortgesetzten Kürzungen seitens der Kunstsektion (bereits mehr als 70% im Vergleich zu 1999) der bisherige Basisbetrieb einer partizipativen Internet-Kulturplattform nicht ohne Einschränkungen aufrecht erhalten werden kann. Jetzt werden aus betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit technische Services abgebaut, Supportleistungen auf eine minimales Ausmaß reduziert, vom Verlust der Arbeitsplätze ganz zu schweigen.

Bereits kurzfristig sind mehr als eintausend Kunst- und Kulturschaffende von diesem Schritt betroffen. Auf längere Sicht erlebt die gesamte Netzkultur einen schweren Rückschlag. Zur Erinnerung: Ende des Jahres 1998 schien auch in Österreich der erste Durchbruch gelungen zu sein, das Thema einer partizipativen und kulturellen Mediennutzung in ersten Ansätzen zu etablieren. Es war ein mühevoller Weg, aber es hat sich allmählich herumgesprochen, dass Kunst und Kultur bei der Erforschung und Umsetzung von neuen Formen der sozialen Interaktion und der Beteiligung an digitalen Systemen einen unverzichtbaren Beitrag leisten müssen. Und selbst die ersten Forderungen fanden rudimentär politisches Gehör: Räumliche und finanzielle Rahmenbedingungen, die eine vielfältige kulturelle Praxis mit Neuen Medien ermöglichen; Aufbau von Strukturen, der eine freie Meinungsäußerung im öffentlichen Raum stärkt und fördert; Bandbreite und Technologie-Investitionen in künstlerische Produktionsumgebungen.

Bestätigung dafür, dass diese Erfordernisse auch in politische Planvorhaben der Vorwenderegierung Eingang gefunden haben, gab es zu einem Zeitpunkt, als es für deren Umsetzung längst zu spät gewesen war. In seinem allerletzten Interview gestand der damalige Kunststaatssekretär Peter Wittmann im Jänner 2000 gegenüber dem FORMAT zwei große Versäumnisse ein. Zum einen beklagte er, zu wenig für das Andenken an Thomas Bernhard getan zu haben. Das zweite Bedauern galt den unerledigten Aufgaben bei der kulturpolitischen Weichenstellung im Bereich der Neuen Medien. Diese Aufrichtigkeit verdient Beachtung. Ein Mysterium bleibt dessen ungeachtet weiterhin bestehen: Was hat das Regierungsmitglied tatsächlich daran gehindert, einfach dort weiterzumachen, wo er mit der öffentlichen Ausschreibung jeweils eines Kunstkurators für Tanz und Neue Medien noch gegen Ende 1999 begonnen hatte? Es lagen Bewerbungen vor, mit den Interessierten wurden Gespräche geführt. Alleine auf die Entscheidung musste man vergeblich warten.

Der rote Staatssekretär hielt plötzlich inne und reichte – ohne es so beabsichtigt zu haben – seinem schwarzen Nachfolger den Stab. Österreichs Kultur- und Medieninitiativen waren fürderhin der vielleicht einzigen Option beraubt, ihre bisher geleistete Pionierarbeit zwei Jahre lang bei schwerem blau-schwarzen Seegang auf Kurs zu halten. An eine konzeptive Verwirklichung eines Cultural Backbone war von da an nicht mehr zu denken.

Heute stellt sich selbstverständlich die Frage, wie es in Zukunft weiter gehen soll. Niemand weiß darauf eine hoffnungsträchtige Antwort. Soviel ist fix: Besserung ist von dieser Regierung nicht zu erwarten. Sie kann sich auf europäische Trends berufen und erfährt Rückendeckung durch die Allgegenwart einer gefährlich kulturfeindlichen Geisteshaltung. Eine weitere Radikalisierung ist da auch in der kulturpolitischen Ideenwelt eines Franz Morak nicht auszuschließen. Der Kunst- und Medienstaatssekretär will die kritischen Öffentlichkeiten im Kulturbereich ganz einfach nicht. Da kommt man nicht umhin, in diesem Zusammenhang das neoliberale Getue um Kreativwirtschaft und Cultural Industries immer wieder als ein malignes Scheingefecht zu entlarven. Wer immer deren Befürwortung bisher bereitwillig Beistand geleistet hat, ist die Einsicht schuldig geblieben, dass für Kunst und Kultur weder stabilere Rahmenbedingungen noch freiere Produktionsvoraussetzungen geschaffen werden.

Vielleicht weiß Franz Morak um die Dürre seiner Politik Bescheid. Vielleicht legt er auch deshalb immer wieder ein Schäuferl nach. Einen besonderen Höhepunkt bildete Anfang Juni ein Auftritt im Rahmen der LinzFestTage, bei der es – festgemacht am Beispiel des schwierigen Musiktheaterneubaus – um die Frage ging, wie für die Schaffung von Kunst- und Kulturräumen an sich öffentliches Verständnis zu erzielen ist. Der Vorschlag des Kunststaatssekretärs: Man möge sich für die Vermittlung dieser Notwendigkeit beim neuen Schwarzenegger-Film (Collateral Damage; Anm.) Anleihen nehmen. Da wurde schließlich für Marketingmaßnahmen beinahe ebenso viel Geld ausgegeben wie für die Produktion selbst.

Österreichs Medieninitiativen haben da offensichtlich bisher etwas falsch gemacht. Ob in ihrer weiteren Geschichte von einem Überleben zu berichten ist, wird vermutlich nicht in den Quatschkolumnen dieses Landes nachzulesen sein.

Kulturrisse