Im Kleinen hält das Große Probe. Das ist leicht zu verstehen, lässt sich unkompliziert vermitteln und sollte eigentlich auch dort nicht am kognitiven Leistungsvermögen scheitern, wo etwa das kommunale Gemeinwesen zur politischen Verhandlung steht. Es macht also durchaus Sinn, Stadtparteien mitunter aus der Perspektive der kleinsten urbanen Verzweigungen unter die Lupe zu nehmen – und so eben auch in Linz. Hier trifft man im nördlichen Stadtteil Urfahr auf eine Straße, die für viele Kinder im umliegenden Grätzel zur Volksschule führt. Im Zuge der Verkehrserziehung werden sie vielfach dazu angehalten, Gehsteige zu benutzen, denn da sollten sie vor den Kraftfahrzeugen sicher sein, die immer größere Dimensionen annehmen und geradezu unersättlich öffentlichen Raum beanspruchen.
Eigentlich sollten sich die Jüngsten in der oberösterreichischen Landeshauptstadt sicher fühlen. Denn mit Martin Hajart, Parteiobmann der Linzer Volkspartei, verantwortet ein Familienvater das Verkehrsressort, dem ein schmerzhafter Dorn im Auge sein müsste, dass der besagte Gehweg in der nach dem Barockmaler Wolfgang Andreas Heindl benannten Straße den jungen Schutzbedürftigen plötzlich unter den Füßen entzogen wird. Weil Autos darauf parken, ohne irgendein Entgelt zu entrichten. Das hat zur Folge, dass die Kinder die Straßenseite wechseln müssen. Ein Schutzweg ist nicht vorhanden – sie bleiben mit dem damit verbundenen Risiko allein gelassen.
Die untragbare Situation ist nicht weiter hinzunehmen. Am 27. Juni 2024 war das Problem folgerichtig Gegenstand einer Debatte mit anschließender Abstimmung im Linzer Gemeinderat. Dabei zeigte sich einmal mehr: Die Kleinen müssen in der Gesellschaft gerade dann klein beigeben, wenn das Automobil mächtige Glaubensgemeinschaften hinter sich versammelt. ÖVP-Verkehrsstadtrat Hajart musste nicht fürchten, dass ihm SPÖ und FPÖ ihre Gesinnungsgefolgschaft verweigern, ein Antrag der Grünen zur Aufhebung der Beparkung des Gehsteigs wurde mit Mehrheit kurzerhand weggefegt.
Noch während der Sitzung des Stadtparlaments ereignete sich ein heftiges Unwetter, das aufgrund des Starkregens zu einer Überflutung der Tiefgarage unter dem Alten Rathaus führte. Was für ein Treppenwitz der Geschichte! Nicht wenige Abgeordnete sprangen inmitten der Tagesordnung auf, um ihre fahrbaren Untersätze vor dem ansteigenden Wasserpegel in Sicherheit zu bringen. Die Klimakrise macht sich eben auch im finsteren Keller der kurzsichtigsten Machtausübung bemerkbar. Und nicht zu vergessen: Die Kinder in Urfahr werden eines Tages wahlberechtigt sein. Dann wird ÖVP-Autofreund Martin Hajart die Rechnung für die Geringschätzung ihres Rechts auf Sicherheit und Unversehrtheit in Händen halten und vielleicht kapieren, dass auch in der städtischen Politik das Große im Kleinen Probe hält.