“Zunehmende Ökonomisierung und Dominanz wirtschaftlicher Verwertbarkeit, mangelnde Kritikfähigkeit und Bestrebungen zur Kontrolle, problematisches Demokratieverständnis, mäzenatische Haltung des Staates, gepaart mit einer gewissen Arroganz gegenüber den Kulturschaffenden”. Soviel Klarheit in der Kritik verdient Beachtung. Vor allem auch deshalb, weil sie der Feder Josef Caps entstammt, der noch 2005 als SP-Klubobmann in seinem Buch “Kamele können nicht fliegen” mit umfangreichem Oppositionsgetöse gegen die rechtskonservative Regierungsmehrheit zu Felde ziehen konnte.
Zwei Jahre später sieht die Sache freilich ganz anders aus. Die SPÖ befindet sich seit Jänner 2007 selbst in einer Koalition mit der nach rechts gerückten ÖVP, darf den Kanzler stellen, hat zahlreiche Regierungsämter übernommen und trägt nunmehr auch die bundespolitische Verantwortung für Kunst, Kultur und Medien. Eigentlich ganz gute Voraussetzungen für einen tiefgreifenden Politikwechsel, der mit dem Paradigmenwechsel vor allem auch neue programmatische Akzente setzen kann. Möchte man meinen. Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit hatte es ÖVP-Kunststaatssekretär Franz Morak noch zu einem Erfolg erklärt, die Kulturpolitik von der Gesellschaftspolitik gelöst zu haben. Es wäre für die Sozialdemokratie ein Leichtes, Kunst und Kultur wieder in die Zentren der sozialen Sphäre zu rücken und als unverzichtbares Terrain einer demokratiepolitischen Erneuerung zu begreifen. Und auch der im Sommer 2007 vorgelegte Kunstförderbericht für das Jahr 2006 müsste noch einmal ausreichend Anstöße bieten, unter die von Josef Cap pointiert beschriebenen Kulturpolitik der schwarz-blauen Episode einen deutlichen roten Schlussstrich zu ziehen.
Was aber unternimmt die SPÖ, um der neu angebrochenen Zeit zu einem glaubwürdigen Ansehen zu verhelfen? Was tut sie, um vertrauensbildend zu vermitteln, dass in ihrem kulturpolitischen Programm für Freunderlwirtschaft und eine von persönlichen Eitelkeiten getragene Traditionspflege ebenso wenig Zuwendung vorgesehen ist wie für ein merkantilistisches Primat und für kreativwirtschaftliche Großmannsucht. Wie nutzt die neue Ministerin die Gunst der Stunde, um in enger Zusammenarbeit mit vor allem sozialdemokratisch regierten Bundesländern genau jene Projekte zu unterstützen, die noch bis 2006 aufgrund ihres kritischen und emanzipatorischen Charakters das Missfallen der national-konservativen Bundesregierung auf sich gezogen haben? Es mag durchaus sein, dass Claudia Schmied angesichts der Aufgabenfülle und Komplexität ihres Ressorts mehr Zeit als andere benötigt, um wirksam Tritt zu fassen. Am Beispiel Salzburgs lässt sich allerdings ablesen, dass die widersprüchliche Realität nicht mit Anlaufschwierigkeiten zu erklären ist. Denn während die Landespolitik zum klingenden Jubel anhebt, dass Salzburg regelrecht im Geld schwimme, warten zahlreiche Kulturstätten und Medieninitiativen weiterhin vergeblich auf eine finanzielle Entschärfung ihrer zunehmend prekären Arbeits- und Produktionsbedingungen. Wie eine schallende Ohrfeige musste Anfang Oktober wohl die Nachricht vernommen werden, dass die neue Kunstministerin in Absprache mit ÖVP-Finanzminister Molterer den Salzburger Festspielen 2,9 Millionen Euro für angeblich dringend benötigte Investitionen zur Verfügung stellt.
Mittlerweile hat die Hoffnung auf einen gründlichen Kurswechsel in der Kulturpolitik der Ernüchterung Platz gemacht. Knapp ein Jahr nach Verantwortungsübernahme durch die SPÖ beklagen nicht zuletzt die Interessenverbände, dass das Herz der Ministerin mehr als offenkundig für die Eröffnung glanzvoller Repräsentationsveranstaltungen schlägt, nicht aber für die Sorgen und Nöte derer, die in der Kultur- und Medienarbeit ihr äußerst kärgliches Dasein fristen. Dabei wollte Claudia Schmied, so eine der Losungen nach ihrer Angelobung, “Betroffene zu Beteiligten machen”. Wie soll das nur gelingen, wenn – wie viele berichten – Briefe unbeantwortet bleiben und nur ganz wenige im Büro der Kunst- und Kulturministerin Gehör und Zugang finden?
Ein Umdenken ist dringend geboten, vor allem auch im Hinblick auf die großen Herausforderungen, für die es ohne weiteren Aufschub neue Antworten und Lösungen zu entwickeln gilt. Dazu zählen – neben einer zeitgemäßen Gestaltung der Kulturverwaltung und ihrer Transparenz – vor allem auch die soziale Absicherung, eine stärkere Berücksichtigung bislang diskriminierter und unterrepräsentierter Positionen, die Investitionsbereitschaft zur Etablierung eines partizipativen Mediensektors sowie die Entschlossenheit, der Copyright-Industrie und ihrer Privatisierung der Kunst- und Wissensproduktion Einhalt zu gebieten.
Tatsächlich aber haben die Schüssel-Haider-Jahre auch in Kunst, Kultur und Medien tiefe Spuren hinterlassen. Gesellschaftlicher Rückzug, Selbstzensur, Vergangenheitsnostalgie und neue Biedermeierlichkeit greifen um sich und gesellen sich zu einer Selbstverweigerung der Kulturpolitik, die das Resultat der seit Jahren andauernden neoliberalen Schwächung und Zerschlagung gewachsener und unabhängiger Strukturen mehr schlecht als recht verwaltet. Wer sich hier nach Redemokratisierung sehnt, sollte diese nicht von einer SPÖ erwarten, die sich aus dem Kalkül des Machterhalts dem hegemonialen Diktat des Koalitionspartners beugt. Vielleicht wird den schallenden Ohrfeigen schon sehr bald das große Erwachen folgen. Die Repolitisierung der Politik kommt jedenfalls nicht von oben. In Wien formiert sich mit der Wiederaufnahme der Donnerstagsdemos bereits erster Widerstand.