Emmanuel Gustave Samnick ist Chefredakteur des Fußballmagazins Ndamba und Präsident des Kameruner Verbands der Sportjournalisten. Ein Gespräch über Stechmücken, Kopfgeher und die Fehler von Ex-Teamchef Paul Le Guen.
Vor der WM 2010 hat die Hoffnung bestanden, dass Afrika in Afrika siegen könne. Am Ende ist eine große Enttäuschung übriggeblieben. Was ist schief gelaufen?
Vieles. Vor allem aber war die Herangehensweise falsch, ich möchte fast sagen “afrikanisch”. Drei Nationen haben ihre Chancen regelrecht vergeudet. Nigeria und die Elfenbeinküste haben drei Monate vor WM-Beginn mit fadenscheinigen Begründungen die Teamchefs ausgewechselt. Ich habe keine Ahnung, welche Mücke diese beiden Verbände gestochen hat. Kamerun wiederum hat völlig unnötig an einem Trainer festgehalten, der sich der Kritik verschlossen hat. Zuerst dachte man, er sei sich über seine Fehler im Klaren, aber nach dem Viertelfinal-Out beim Afrika-Cup hat er sie nicht korrigiert. In den Vorbereitungsspielen hätte er Spieler einsetzen können, die schon länger zur Verfügung gestanden sind. Stattdessen hat er sich für ein 18-jähriges Kind entschieden, für den aus Deutschland kommenden Joel Matip. Wie soll jemand, der erst die Ursprünge seiner Eltern entdecken muss und nicht einmal die Hymne singen kann, das Trikot verteidigen. Das zeugt schon fast von einer Absicht, sich selbst beschädigen zu wollen. Diese WM-Teilnahme war das Schlimmste, was Kamerun je erleben musste.
Zurück zu Afrika im Allgemeinen. Die WM 2010 hat große Aufmerksamkeit auf den Kontinent gelenkt. Was hat sich dadurch verändert?
Die wichtigste Hinterlassenschaft der WM darf zuallererst das Veranstalterland in Anspruch nehmen. Südafrika hat aufgezeigt, wozu Afrika in der Lage ist. Das Vorurteil, Afrika wäre nicht in der Lage, eine WM auszurichten, ist überwunden. Das ist auf psychologischer Ebene das wichtigste Ergebnis. Der Umgang Kameruns mit der Niederlage stellt das genaue Gegenteil dar. Man hat nichts gelernt und aktiviert weiterhin die alten Systeme, um für die Dauer von fast zwei Monaten einen Trainer zu suchen und völlig unnötig viel Geld auszugeben. Welches Wunder soll der vollbringen, wenn sich die Politik ständig einmischt und der Jugend nicht einmal die allernotwendigsten Grundlagen zur Verfügung stehen? Es ist ein echter Skandal, dem Trainer eines Teams, das noch nicht einmal über einen entsprechenden Trainingsplatz verfügt, 70 Millionen Francs (ca. 107.000 Euro, Anm.) im Jahr zu zahlen. Nur weil er weiß ist? Für mich ist das eine Mafia.
Le Guens Aufgaben werden nun von Javier Clemente übernommen. Setzt Kamerun jetzt auf einen Spanier, weil Spanien Weltmeister geworden ist?
Man könnte meinen, dass Kamerun hier einer neuen Mode folgt. Aber Clemente hat die WM nicht gewonnen, auch wenn unter den derzeitigen Rahmenbedingungen Spaniens irgendein Trainer Weltmeister werden kann. Es gibt keinen großen Unterschied zwischen Luis Aragones und Vicente Del Bosque. Der spanische Fußball ist einheitlich formatiert. Niemand verliert unnötig den Ball, ein Pass folgt auf den anderen. Das ist das Ergebnis einer Ausbildung. Über viele Jahre wurde mit ausreichend Geduld eine Spielerkultur aufgebaut. Spanien ist nicht in Panik verfallen wie England, um gleich nach ein paar Niederlagen im Ausland nach einem neuen Trainer zu suchen. Eine Nationalmannschaft muss von jemandem aus dem eigenen Land trainiert werden, der es auch repräsentiert.
Innerhalb des Fußballverbandes Kameruns folgt man diesem Ratschlag aber offensichtlich nicht.
Nein, in Kamerun geht man gerne auf dem Kopf. Man kann nicht erwarten, dass ausgerechnet der Fußball besser funktioniert als Bereiche wie Bildung und Gesundheit. Das ist ein System des Amtsmissbrauchs, vor allem was die öffentlichen Ausgaben betrifft. Unter dem Eindruck, dass alles zum Wohle der Gemeinschaft geschieht, handeln viele nur im individuellen Interesse.
Wie kann Kamerun mit diesem komplexen Problem fertig werden?
Es mangelt an Leadership mit Qualität. Ich meine damit den Staat. Dass sich der Staatschef und der Sportminister nicht mehr in die Belange der Fußballnationalmannschaft einmischen. Dass der Verband Visionäre unterstützt, die nicht in ihre eigene Tasche arbeiten. Dafür braucht es Führungspersönlichkeiten mit Ideen. Man kann im Fußball allerdings keinen Staatsstreich machen. Wir sind also gezwungen, das so zur Kenntnis zu nehmen und zu hoffen, vielleicht eines Tages einen geeigneten Leader zu bekommen.