Jubiläen erfahren zur Zeit in Österreich eine Hochkonjunktur. Es erscheint nicht opportun, kritisch danach zu fragen, warum eigentlich Staat und Gesellschaft auf eine nationale Feierstimmung eingeschworen werden sollen. Dabei gibt es reichlich darüber nachzudenken. Das Jahr 2005 bietet die Gelegenheit für Konflikt und Widerspruch.
Wien im November 2004: In einer sakral anmutenden Inszenierung präsentierte der Bundeskanzler die Pläne der schwarz-blauen Regierung für das Folgejahr. 60 Jahre Zweite Republik, 50 Jahre Staatsvertrag, 10 Jahre EU-Mitgliedschaft, 50 Jahre Bundesheer, 50 Jahre Wiedereröffnung von Staatsoper und Burgtheater sollen das Land 2005 in einen Festtaumel versetzen. Doch die Bildsprache verriet bereits sehr deutlich, dass von diesem “Gedankenjahr” – wie uns das aufwändige Polit-Marketing seither glauben machen will – keineswegs tiefgründige Reflexionsleistungen zu erwarten sind. Im Gegenteil: Das Licht einer von national-konservativer Hand zurecht gerückten Österreich-Geschichte soll vor allem auf Wolfgang Schüssel strahlen und mit ihm weite Schatten werfen.
Kulturkampf und Österreich-Konstruktionen
Das Jubeljahr ziele darauf ab, so erklärte Kunststaatssekretär Franz Morak schon im Frühjahr 2004, “das Bewusstsein für entscheidende Zukunftsfragen zu schärfen und als Trampolin für die Zukunft zu dienen”. Derartige Floskeln ziehen Skepsis und Proteste nach sich. In einem Zeitungskommentar konstatierte Barbara Coudenhove-Kalergi “den späten Nachhall” eines bewusst geführten Kulturkampfes, der viel eher an vergangene Zeiten als an voraus schauende Entwürfe für eine demokratische Gesellschaft erinnere. Bei den vorliegenden Plänen stünde einzig im Vordergrund, “welches Bild von Österreich, seiner Geschichte, seiner Kultur, seiner Identität, sich allgemein durchsetzt.” Die Publizistin ist überzeugt: “Dieses Bild ist ziemlich klar umrissen: Berge, Musik, Skifahren, Kaiserin Sisi und Hermann Maier, Mozart und Figl, Fremdenverkehr und Bio-Lebensmittel. Es ist ein Bild, an dem der ORF, die ‘Kronen Zeitung’ und die ÖVP gemeinsam gemalt haben. Dieses Bild kennt mittlerweile jeder, kaum einer zweifelt daran: So, wie wir Österreich täglich serviert bekommen, so ist es.” (Die Presse, 29. Jänner 2005)
Vorsorge-Paket gegen Regierungspropaganda
Tatsächlich ist die mit den Regierungsfeierlichkeiten herumgereichte Ikonographie mit dafür Ausschlag gebend, dass sich die Kritik an Geschichtsverzerrung und Opfermythen sowie an Heimat-Tümelei und Identitätskonstruktionen seit Beginn des Jahres häuft. Damit diese auch sichtbar wird und nachhaltig in den öffentlichen Diskurs eingreift, hat sich bereits 2004 eine Plattform gebildet, der sich zahlreiche Personen, Projektgruppen und Organisationen aus den Bereichen Kunst, Kultur und Wissenschaft angeschlossen haben. Mit einem “Vorsorge-Paket gegen ein Jahr Heimat-Feiern” soll sichergestellt werden, dass in der Produktion von Geschichtsauffassung emanzipatorische und bisweilen unterdrückte Perspektiven nicht gänzlich unter die Räder der massenmedial geölten Propagandamaschinerie geraten. “Die zweifelhafte Darstellung einer heroischen Nachkriegsgeschichte, die bewusste Ausblendung der NS-Kontinuitäten sowie der zunehmend provinzielle Chauvinismus müssen mit kulturpolitischen Gegenpositionen konfrontiert werden”, zeigte sich auch Bernhard Amann, Vorsitzender der IG Kultur Österreich, zu Beginn des Jahres kämpferisch. Anhand von künstlerischen Interventionen, Diskussionsrunden und Medienprojekten sollen sich breite Öffentlichkeiten über die vielschichtige Problematik des Jubiläumsjahres informieren können.
Den Mainstream-Bildern eigene Bilder entgegen setzen
Die Information der anderen Art ist dringend vonnöten. Jubiläen wollen vermeintliche Erfolgsgeschichten erzählen, positiv erlebbare Wahrnehmungswelten schaffen. Der Anspruch differenzierter Betrachtungsweisen ist mit Machtinszenierungen nicht vereinbar. Sie trachten vielmehr danach, Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühle über ritual-ähnliche Handlungen zu erzeugen. Die Rekonstruktion von Vergangenheit findet vor allem im Zeitalter der Massenmedien reichhaltige Möglichkeiten, emotional aufgeladene Bilder vorzuführen, die sich schließlich als kollektives Gedächtnis tief in der Gesellschaft festschreiben. Diese Absicht scheint auch das zentrale Motiv bei den 25 Peaces zu sein, einem Projekt von Georg Springer und Wolfgang Lorenz, die von Bundeskanzler Schüssel persönlich dazu beauftragt wurden. Ob eine nachgestellte Bombennacht als Multimedia-Spektakel, weidende Kühe vor dem Belvedere oder ein Staatsvertragsbalkon auf Rädern – die 10 Millionen Euro teure History-Show ist ein sehr anschauliches Beispiel, wie diese Bundesregierung geschichtspolitische Verantwortung aus reinem Machtkalkül pervertiert.
Das peinliche Schauspiel, das von einer – wie die Berliner Zeitung am 7. Februar anmerkte – “Mischung aus fröhlicher Unverbindlichkeit und dem Beharren auf der österreichischen Opferrolle” getragen ist, lässt sich nicht mehr abwenden. Umso notwendiger ist es, der verklärenden Produktion von historischen Bildern “eigene” Bilder entgegen zu setzen. Aus diesem Grunde lädt die Minus2005-Plattform mit Hilfe eines Kurzfilmwettbewerbs dazu ein, Sichtweisen zu entwickeln, die sich von den geläufigen Narrativen grundlegend unterscheiden. Nicht von ungefähr trifft dieses Vorhaben auf einen sehr zentralen Problembereich. Im so genannten Jubiläumsjahr präsentiert sich die Medienlandschaft Österreichs in einem höchst Besorgnis erregenden Zustand, denn es fehlt mehr denn je an unabhängiger und alternativer Berichterstattung. 2005 dient Bundeskanzler Schüssel ganz wesentlich zum Machterhalt. Den demokratischen Grundlagen der Republik droht jedenfalls weiterhin großer Schaden. Dass dies dem öffentlichem Interesse zuwider läuft, wird nicht von ORF, Kronen Zeitung und den Medienprodukten des Hauses Fellner zu erfahren sein. Damit sind – so manchen Ermüdungserscheinungen zum Trotz – Gegenstrategien aus dem Feld von Kunst, Kultur und politischem Aktivismus gefordert.
Österreich 2005: Das Vorsorge-Paket gegen ein Jahr Heimat-Feiern!