ORF Ö1-Interview vom 26. Juli 2010.
Radiokolleg – Der Theoretiker der Praxis
Zum 80. Geburtstag von Pierre Bourdieu
Acht Jahre nach seinem Tod scheint der Ruhm des französischen Soziologen Pierre Bourdieu inner- wie außerhalb der akademischen Welt zu wachsen und zu wachsen und zu wachsen. Kaum ein zeitgenössischer Denker wird so oft zitiert wie der Postbotensohn aus dem französischen Süden.
Bourdieu hat die moderne Gesellschaft in ihrer ganzen einschüchternden Komplexität zu durchdringen versucht. Einflüsse von Durkheim, Marx, Norbert Elias und Max Weber verknüpfte er auf originelle Weise zu einer neuartigen “Theorie der Praxis”. Seine differenzierten Analysen des “Sozialen Feldes” und des “Habitus” gelten als Marksteine der modernen Soziologie.
Dabei hat sich der 2002 verstorbene Denker in seinen letzten Lebensjahren mehr und mehr auch als politischer Aktivist hervorgetan. 1995 solidarisierte er sich mit streikenden Bahnarbeitern in Paris, 1998 unterstützte er die französische Arbeitslosenbewegung. Bourdieu gehörte auch zu den Mitbegründern von “Attac”. Wissenschaftliche Einsicht und politisches Engagement waren für den Soziologen keine unauflösbaren Widersprüche.
In seinem “Radiokolleg” geht Günter Kaindlstorfer der Frage nach, wie aktuell Bourdieus Einsichten heute noch sind, und wie der scharfe Kritiker des Neoliberalismus die aktuelle Wirtschaftskrise bewertet hätte. Zu hören sind prominente Bourdieu-Experten wie Boike Rehbein und Gerhard Fröhlich sowie auch Pierre Bourdieu selbst in bisher unveröffentlichten Interview-Ausschnitten.
Abschließend komme auch ich als Politikwissenschafter und Kulturaktivist mit meinen Einordnungen der Bedeutung Pierre Bourdieus zu Wort.