Der Stachel im Fleisch XCII
Der junge Hitler – wie mahnt zeitgemäße Vermittlung vor Kriegstreiberei und Rassenwahn?
Sendetermin auf DORFTV:
Mittwoch, 14. April 2021, 17.30 – 18.30 Uhr
Adolf Hitler hat ungebrochen Konjunktur. Während Pädagogik und Zeitgeschichte zunehmend darüber nachdenken, wie eine zeitgemäße Vermittlung der beispiellosen Verbrechen des NS-Regimes und der strukturellen Komplexität des Terrorsystems auch in Zukunft gelingen kann, findet die namentliche Nennung des Diktators stets große Aufmerksamkeit. Welchen Platz aber nimmt er in der kritischen Auseinandersetzung ein? Von Bertolt Brecht, dem großen deutschen Dramatiker und Lyriker des 20. Jahrhunderts, ist im Zusammenhang mit seinem Werk “Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui” überliefert: “Die großen politischen Verbrecher müssen durchaus preisgegeben werden, und vorzüglich der Lächerlichkeit. Denn sie sind vor allem keine großen politischen Verbrecher, sondern die Verüber großer politischer Verbrechen, was etwas ganz anderes ist.” Und auch Hanna Ahrendt sah sich Mitte der 1960er Jahre mit ihrem Konzept zur Banalität des Bösen oftmals heftiger Entrüstung ausgesetzt. Hier stand vor allem die These im Mittelpunkt, dass “Gedankenlosigkeit” der Nazi-Größen, aber auch die Unfähigkeit, “sich je vorzustellen, was eigentlich mit dem anderen ist“, sowie Oberflächlichkeit und charakterliche Nichtigkeit zum bislang größten “Verbrechen gegen die Menschheit” geführt haben. Mitte April 2021 eröffnet das NORDICO Stadtmuseum Linz eine Ausstellung zum Thema “Der junge Hitler”, wenige Wochen zuvor ist mit “Hitlers Vater” ein Bestseller auf dem Buchmarkt erschienen – was den kritischen Umgang im historischen, pädagogischen und auch künstlerischen Kontext erneut ins Blickfeld rückt.
Im Mittelpunkt des Gesprächs standen daher u.a. Fragen, welche Schlüsse Wissenschaft und Kulturinstitutionen aus der Konfrontation mit der NS-Vergangenheit gezogen haben, wie sich die Faszination gegenüber der Person Adolf Hitlers erklären lässt und worauf im Hinblick auf eine breite gesellschaftliche Ablehnung von totalitären Verlockungen auch in unserer Zeit zu achten ist.
Mit Andrea Bina (Leiterin NORDICO Stadtmuseum Linz) und Roman Sandgruber (em. Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte).