Ich bin soeben aus Uganda zurückgekehrt – unter diesem Eindruck steht auch der Beginn meiner Ausführungen. Die ostafrikanische Republik wird totalitär geführt und ist Mitte Oktober 2024 wieder in die Schlagzeilen geraten, weil die Rechtsregierung der Niederlande in Abstimmung mit Uganda den Plan verfolgt, abgelehnte Asylwerbende schon sehr bald dorthin abzuschieben. Das ist überaus beunruhigend. Die Realitäten afrikanischer Gesellschaften unter totalitären Regimen sind weitgehend bekannt. Von Menschenrechten kann keine Rede sein, ebenso wenig von irgendwelchen rechtsstaatlichen Standards. Damit fand in Uganda nicht zuletzt das Verhältnis von Demokratie und Medien im Lande meine Aufmerksamkeit.
Realitäten eines totalitären Systems
Ich konnte vor Ort mit Künstlerinnen sowie auch einem Oppositionspolitiker über das Thema sprechen. Man tut das allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. Die Gespräche sind meist an dem Punkt angelangt, an dem auf die Frage nach „Freedom of speech?“ immer nur eine Antwort folgte: „There is no freedom after speech!“ Das sind Realitäten eines totalitären Systems, das zwar nach außen in der internationalen Gemeinschaft vielfach Gefallen finden will, dann aber dennoch immer wieder sehr viele negative Eindrücke hinterlässt. Jetzt ließe sich die Auffassung vertreten, dass – wenn man eine gewisse Zeit in Uganda verbringt – der Blick auf Österreich gewissermaßen schonungsvoll ausfallen muss, weil die Verhältnisse hierzulande keineswegs zu vergleichen sind. Wer die aktuellen Maßstäbe zur Hand nimmt, das Pressefreiheitsranking von Reporter ohne Grenzen für 2024, findet Österreich auf dem Platz 32 – ein historischer Absturz sondergleichen. Wir liegen im Ranking mittlerweile zwischen Moldau und Mauretanien. Darüber gäbe es viel zu sagen. Uganda befindet sich auf Platz 128. Da sehen wir tatsächlich noch eine große Differenz. Selbstverständlich herrschen in Österreich keine ugandischen Verhältnisse. Und dennoch sind es die Momente, Erfahrungen, Eindrücke, die uns hierzulande immer wieder sehr nachdenklich stimmen.
Eine solche Nachdenklichkeit hat auch in die Zeitschrift von DORFTV und den Freien Radios, dem Netzwerk des nichtkommerziellen Rundfunks in Oberösterreich, Eingang gefunden. Als „Land der Freien Medien“ haben sie eine demokratie- und medienpolitische Reflexion in Angriff genommen, wo der Sektor seine Aufgaben sieht und welche Ziele er erreichen will. Die Veröffentlichung erfolgte Anfang September, nachdem kurz zuvor eine neue Broschüre des Bundesnetzwerks Österreichische Jugendinfos (BÖJ) erschienen war. Darin sollten Jugendliche davon erfahren, dass es „in Österreich keine unabhängigen Medien gibt“. Die von ÖVP-Staatssekretärin Claudia Plakolm finanzierte Publikation zielte also tatsächlich darauf ab, jungen Menschen zu vermitteln: Es gibt in Österreich keine unabhängigen Medien. Ich lasse das jetzt mal so dahingestellt. Die darauffolgende Aufregung überraschte wenig. Besonders hervorgetan hat sich der „Verein der Chefredakteurinnen und Chefredakteure“, von dessen Existenz kaum jemand weiß. Die namhaften Persönlichkeiten der rot-weiß-roten Medienlandschaft haben die Staatssekretärin umgehend aufgefordert, die Broschüre zurückzuziehen und am besten einzustampfen.
Vertane Chance
Das Einstampfen ist in Österreich überhaupt ein beliebter Vorgang. Es gab 2005, im Jahr der vielen Jubiläen, schon eine Broschüre für Jugendliche, die versuchte, die Geschichte der Zweiten Republik aus kritischen Perspektiven zu beleuchten. Das kleine Büchlein, das den sympathischen Titel „Trümmer.Träume.Topfenstrudel“ trug, wurde damals ebenfalls kurzerhand eingestampft. Auch zwei Jahrzehnte später bleiben vor allem Fragen zurück, die noch vielmehr öffentlich zur Diskussion gestellt werden müssen. Wie steht es denn tatsächlich um die Unabhängigkeit der österreichischen Medien? Darüber haben nämlich die Chefredakteurinnen und Chefredakteure keine Auskunft gegeben. Sie haben einfach mit Nachdruck verlangt, dass die Broschüre zu verschwinden hat, weil sie „dazu angetan“ sei, so die Argumentation in einer Presseaussendung, „die Glaubwürdigkeit unserer Medienhäuser zu untergraben“, und das noch dazu in einer ohnehin schweren ökonomischen Situation.
Mein Bedauern, ich gestehe es offen, hält sich in Grenzen. Ich konnte nicht erfahren, wie es denn tatsächlich um die Unabhängigkeit bestellt ist. Wo bleibt der Nachweis? Warum machen sich denn die Chefredakteurinnen und die Chefredakteure nicht die Mühe, ausführlicher zu argumentieren? Und warum nehmen die Chefredakteurinnen und die Chefredakteure die vielen Menschen nicht ernst, die tatsächlich große Skepsis hinsichtlich der Unabhängigkeit der Medien haben? Und da spreche ich noch nicht von den Folgen der Corona-Pandemie und der unsäglichen Demonstrationen mit den vielen Rufen: „Lügenpresse!“ Nein, davon spreche ich nicht.
Es ist eine vertane Chance, jammerschade. Dabei wäre es so wichtig, ganz allgemein mehr Mühe für Argumente aufzubringen. Denn es ist ein Argumentieren für die Demokratie. Das führt mich zu einem Beispiel, das mir wichtig ist und uns alle sehr besorgen und auch umtreiben sollte. Zur Tatsache, dass wir in einem Land leben, in dem eineinhalb Millionen Menschen im wahlfähigen Alter nicht berechtigt sind, das Wahlrecht auszuüben. Im Hinblick auf die Demokratieentwicklung stehen wir bald vor einer höchst prekären Situation. Die Bevölkerungsanzahl Österreichs ist in den letzten Jahren auf über neun Millionen angewachsen, und dennoch waren bei der Nationalratswahl 2024, also vor wenigen Wochen, schon 50.000 Menschen weniger wahlberechtigt als noch 2019. Zugespitzt führt das darauf hinaus, dass irgendwann bei einer Gesamtheit von immer mehr Menschen nur noch geringe Anteile wahlberechtigt sein werden. Gleichgültigkeit ist hier folgerichtig fehl am Platz. Wie verhalten sich also die Medien dazu?
Prüfstellen für die Zuverlässigkeit von Medien
Die Zeitungen, auch der ORF, behaupten oft, ohnehin alles Mögliche zu tun. Aber es ist auch nicht so einfach, ernst zu nehmende Themen aufzugreifen und sich einer Sache anzunehmen. Die vielen Nicht-Wahlberechtigten nehmen am öffentlichen Leben teil, sie zahlen Steuern und Abgaben und sind sicherlich bereit, auch für die Informationsangebote der kommerziellen Medien, etwa für Abonnements, Geld in die Hand zu nehmen. So lautet schließlich oft das Argument. Wenn wir schon Legacy-Medien haben wollen, gemeint ist damit vorrangig Qualitätsjournalismus, dann muss das auch etwas kosten. Migrantinnen und Migranten, die zu uns kommen, hier aber keine Wahlberechtigung haben, wären sicherlich dazu bereit. Sie verfügen sogar nicht selten über Geld. Aber spinnen wir die Problematik weiter. Wer unentwegt vom öffentlichen Leben ausgeschlossen ist, verliert auch irgendwann die Lust, auf das Informationsangebot zurückzugreifen, das nicht zuletzt Verkaufsmedien zur Verfügung stellen. Viele werden sich eines Tages abwenden, weil ihnen politische und gesellschaftliche Teilhabe auf lange Sicht vorenthalten bleibt. Zugleich aber erleben wir das Kuriosum, dass wir im digitalen Zeitalter viele alternative Möglichkeiten haben. Wer nicht wahlberechtigt ist, wird den österreichischen Printprodukten sowie sicherlich auch dem ORF schnell den Rücken kehren und stattdessen, wie es oft der Fall ist, auf nationalistische und illiberale Informationen aus den Heimatländern zurückgreifen. Das schadet der Integration und befeuert eher noch die Radikalisierung, was in der Mehrheitsgesellschaft als Reaktion darauf den Zulauf zu rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien stärkt, die nicht zuletzt auch die Einschränkung der Pressefreiheit auf ihre Agenda setzen.
Es tun sich also jede Menge Fragezeichen auf. Der nichtkommerzielle Rundfunk nimmt sich dieser Herausforderungen schon lange an. Partizipation, Sichtbarkeit, freie Meinungsäußerung und kulturelle Vielfalt. Bei DORFTV und den Freien Radios sind derlei Ansprüche gelebte Praxis – und das mit sehr geringen finanziellen Mitteln. Der ORF und viele andere Medien wähnen sich trotz deutlich höherer Budgets am Rande der Existenz. Am Ende des Tages hoffen letztlich alle, dass der Staat, der ja noch immer ein demokratisches Gefüge darstellt, für die notwendige Absicherung sorgt. Das ist so weit sehr redlich. Doch die Frage, die dringend an zukünftige Debatten weiterzugeben ist lautet: Kann sich die Demokratie tatsächlich auch ausreichend auf die Medien verlassen? Was tun die Medien im Kampf um Bestand und Wahrung der Demokratie? Die Antworten werden wohl an den wichtigsten Prüfstellen ihre Relevanz finden müssen – dazu zählen neben Beteiligung, Inklusion, Medienkompetenz und Bildung vor allem auch Klimagerechtigkeit, Integration sowie Informations- und Meinungsfreiheit.
Dieser Beitrag ist die redigierte Fassung eines Impulsstatements zu Beginn der Diskussionsveranstaltung Medien für die Demokratie von morgen am Montag, 21. Oktober 2024, im OÖ. Presseclub in Linz.