Plusminus Linz

Fanmärsche im Visier von Polizei und Stadtpolitik

Eine Linzer Kleinpartei will die beiden Bundesligisten der Stadt zur Kassa bitten: Sie sollen für Polizeieinsätze bei Fanmärschen zahlen. Auch die Polizei zieht mit. Vereine und Fans sind irritiert.

Die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz legt auf ihr kulturelles Image großen Wert. Seit 1987 lockt das „Pflasterspektakel“ jährlich im Frühsommer mit Akrobatik, Jonglage und Clownerien zigtausende Menschen auf die Straßen. Dazu passt eigentlich auch der Corteo, im Wortsinn eine Prozession. Der Corteo hat in den Fankulturen des Fußballs schon lange seinen fixen Platz gefunden. Die Märsche der Fans zum Stadion unter Gesängen und mitunter mit pyrotechnischer Begleitung gehören in Manchester, wo die United- und City-Anhänge in großen Formationen zu Derbys marschieren, ebenso zum Stadtbild wie in Dortmund, wenn sich die „Gelbe Wand“ auf ihrem Weg ins Westfalenstadion bemerkbar macht. Und in Wien, wenn Rapid- und Austria-Fans in organisierten Gruppen zum Stadion des Gegners marschieren.

Antrag abgelehnt

Die Stadt Linz hingegen muss sich noch immer mit dem Umstand vertraut machen, dass aufgrund des Aufstiegs von Blau-Weiß 2023 nun neben dem LASK ein zweiter Verein in der höchsten Spielklasse vertreten ist. Seit 1997 hat es das nicht mehr gegeben. Der Höhenflug des Linzer Fußballs findet auch auf den Straßen seinen Niederschlag. Seitdem die Vereine in der Bundesliga aufeinandertreffen, marschieren die Fanszenen bei Derbys in der Regel organisiert zum Spielort. Zuletzt war das Anfang Februar der Fall, rund 3.000 LASK-Fans machten sich vom Hauptplatz, 2.000 Blau-Weiß-Anhängerinnen und -Anhänger vom Musiktheater am Rande der Innenstadt auf den Weg. Die beiden Routen zum Stadion des LASK wiesen keine Berührungspunkte auf, die Polizei war entspannt: „Die jüngsten Linzer Derbys sind friedlich verlaufen“, sagte Einsatzleiter Florian Kierner noch vor der Partie. Wir haben eine gute Kommunikationsbasis mit den Vereinen.“ Es kam zwar zu angekündigten Verkehrsbehinderungen, aber mit Blick auf die öffentliche Sicherheit wurden keinerlei besondere Vorkommnisse vermeldet. „Großartige Stimmung in der Linzer Innenstadt: Linz kocht, das Linzer Derby steht kurz vor dem Anpfiff“, schrieb das Regionalportal MeinBezirk.at. Das Match endete mit einem torlosen Remis.

Für eine unverhoffte Verlängerung sorgte aber wenige Wochen später die Vertreterin einer sonst eher unbeachteten Linzer Gemeinderatsfraktion. Die Bürgerinnen und Bürger würden „durch Hochrisikospiele und Derbys unzumutbar belastet“, sagte Brita Piovesan von der Neos-Abspaltung Linzplus, die mit zwei Abgeordneten im Gemeinderat vertreten ist. „Gewaltausbrüche und Vandalismus mindern das so entscheidende Sicherheitsgefühl der Bevölkerung“, war in einer Aussendung zu lesen. Ihr Vorschlag: Die Klubs sollen für die Polizeieinsätze bei den Fanmärschen zur Kasse gebeten werden. Piovesan brachte dazu Mitte März einen Antrag im Gemeinderat ein, der allerdings abgelehnt wurde. Die höheren Stellen bei der Polizei fanden daran dennoch Gefallen. „Der Aufwand der Polizei, wenn er bewusst herbeigeführt wird, sollte doch irgendwo abgedeckt werden“, sagte Landespolizeidirektor Andreas Pilsl der ORF-Nachrichtensendung Oberösterreich heute. Für einen Fanmarsch werden zwischen 50 und 200 Beamte abgestellt, die Einsätze würden manchmal sogar über 100.000 Euro kosten, hieß es im dazugehörigen Beitrag, von der guten Kommunikation war keine Rede mehr.

Keine Parallele

Auch die Oberösterreichischen Nachrichten und die Krone berichteten, wie Piovesan stellten die Berichte einen Zusammenhang zu einer zuletzt breit diskutierten Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 14. Jänner 2025 her. Die höchstgerichtliche Ablehnung einer Beschwerde des Ligaverbands DFL hielt fest, dass für den „polizeilichen Mehraufwand bei gewinnorientierten, gewaltgeneigten Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen eine Gebühr“ verrechnet werden darf, die von den Fußballklubs als „Gegenleistung für eine individuell zurechenbare Leistung“, im konkreten Fall der Sicherheitsbehörden, einzuheben ist.

Dass es dabei nicht um Fanmärsche ging, sondern um die Polizeieinsätze bei – von der Exekutive als solche definierten – Hochrisikospielen im Stadion und noch genauer um die Rechtmäßigkeit einer entsprechenden Verordnung in der Gesetzgebung des Bundeslands Bremen, das ging in der Linzer Debatte unter. Die vermeintliche Parallele zum Urteil aus Deutschland wurde zwar von zahlreichen Medien wiederholt, sie läuft aber ins Leere. Denn das Recht auf freie Versammlung im öffentlichen Raum, und als solche sind die Corteos angemeldet, ist ein verfassungsrechtliches Gebot, dazu gehört auch dessen Durchsetzung und Absicherung durch die Behörden.

Christoph Peschek, Geschäftsführer des FC Blau-Weiß Linz, hat für den Vorstoß von Polizei und Linzplus kein Verständnis: „Die Vereine tragen wesentlich zur regionalen Wertschöpfung bei, sie zahlen sehr hohe Beträge an Steuern und Abgaben und können gar nicht als sogenannte Verursacher für die Aktivitäten ihrer Fans abseits der Stadien haftbar gemacht werden“, sagt er dem ballesterer. „Das ist beim Burschenbundball und den antifaschistischen Gegendemos vergleichsweise ebenso wenig der Fall.“ Der angesprochene Ball ist eine Veranstaltung der deutschnationalen Burschenschaften Oberösterreichs, der jährlich in der Linzer Innenstadt stadtfindet und gegen den es seit Jahrzehnten Proteste gibt.

Zudem sind nicht die Vereine Anmelder und Organisatoren der Märsche, sondern die Fans. Die „Landstrassler“ sehen sich als Dachverband der LASK-Fangruppen bei ihrer Aneignung des öffentlichen Raums zu Unrecht an die Wand gedrängt. Sie hätten vor dem Fanmarsch im Februar auch selbst für Sicherheit gesorgt. „Wir haben uns zuletzt vor dem Abmarsch nur drei Stunden auf dem Hauptplatz aufgehalten“, sagt Stefan Ratzenböck, einer der Sprecher, dem ballesterer. „Nach Vereinbarung mit der Polizei haben wir dabei die erforderliche Anzahl gekennzeichneter Ordner gestellt.“ Das rückt die Frage ins Blickfeld, anhand welcher Kriterien die Behörde das eigene Aufgebot meist martialisch gerüsteter Sicherheitskräfte überhaupt bemisst.

Die Stadt Linz muss sich erst daran gewöhnen, dass zwei Vereine in der Bundesliga manchmal auch für ein bisschen Wirbel und Staus sorgen. Es braucht eine Diskussion, welchen Platz Fankulturen in der Stadt finden sollen – und wie die Kommunikation zwischen Vereinen, Fans und Polizei aussehen kann. Auf Stimmenfang bedachte Zwischentöne, wie jener von Linzplus, tragen aber nicht zu einer Lösung bei, sondern erweisen sich eher als Teil des Problems. Auch die Polizeispitze sollte den Austausch, den die Beamten mit den Klubs haben, nicht für ein paar Schlagzeilen torpedieren. Das nächste Linzer Derby steigt erst in der kommenden Saison. Der Antrag im Gemeinderat wird dann hoffentlich in Vergessenheit geraten sein.

Fotocredit: Benjamin Elliott auf Unsplash