Politik und Kultur der Neuen Medien

Self-Empowerment für das Informationszeitalter

In der Vermittlung von Politik und politischen Inhalten gewinnen Medien eine immer größere Bedeutung. Der Stellenwert beschränkt sich aber nicht alleine auf die enorm angewachsene Wirkungsbreite massenmedialer Distributionskanäle. Eine Herausforderung für die Politische Bildung resultiert heute immer mehr aus der Frage, inwieweit Menschen im 21. Jahrhundert Möglichkeiten vorfinden, mit Medien zu arbeiten und über den Zugang zu Medien aktiv an gesellschaftlichen Prozessen teilzunehmen.

Immer schon bilden Medien in Österreich weitgehend geschlossene Systeme. In ihrem Selbstverständnis sowie in der strukturellen Beschaffenheit sind offene Zugänge nicht vorgesehen. Es liegt daher nahe, dass auch der Politikwissenschafter Peter Filzmaier anlässlich der Aktionstage 2004 zur Politischen Bildung die Frage stellte, “inwieweit die politische Bildungsarbeit […]  teledemokratischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen ist.” Im Hinblick auf das Medium Fernsehen konstatiert er für die Politische Bildung ein besonderes Problem: “Außer Appellen zur politischen Partizipation verfügt das Fernsehen über keine Möglichkeiten einer gelebten politischen Beteiligung.”

Gleichlautende Feststellungen waren bereits zu Beginn der 90er Jahre maßgeblich dafür auschlaggebend, auch im kulturellen Feld selbstbestimmte Formen der Medienaneignung zu erproben. Unter diesen Gesichtspunkten gründete sich an der Jahreswende 1994/95 mit dem Institut für Neue Kulturtechnologien/t0 (allgemein auch bekannt als Public Netbase) eine Netz- und Medienkulturplattform, die sich bis heute als Schnittstelle von Kunst und Kultur zu Neuen Medien versteht. Schon damals war nicht zu übersehen, dass eine massive Konzentration privater Kapitalinteressen in diesem Bereich der technischen Entwicklungen vor allem auch eine nachhaltige Verdrängung von Interessen der Öffentlichkeit nach sich zieht. Und noch mehr: “Informations- und Kommunikationstechnologien müssen auch als konstitutive Faktoren neuer Verhältnisse und institutioneller Strukturen begriffen werden”, erklärt die US-amerikanische Soziologin Saskia Sassen, “als neu entstehendes Ordnungssystem. Wer an Fragen der demokratischen Partizipation und Verantwortung interessiert ist, muss über technische Leistungsfähigkeit und Auswirkungen auf bestehende Verhältnisse hinausgehen und sich mit den Eigenschaften dieses neu entstehenden Ordnungssystems befassen.”

Public Netbase ist seit der Regierungsbildung von ÖVP und FPÖ einer feindlichen Haltung der Kultur- und Medienpolitik ausgesetzt. Dies hat unter anderem zur Folge, dass eine ausreichende Finanzierung der institutionellen Rahmenbedingungen bis heute nicht annähernd erreicht werden konnte. Und dennoch präsentiert und unterstützt die Netzplattform seit fast einem Jahrzehnt Kunst- und Kulturprojekte und erörtert auf vielfältige Art und Weise den komplexen Wandel des digitalen Informationszeitalters. Dessen kulturelle und soziale Implikationen werden in zahlreichen Ausstellungen, Workshops, Websites sowie mit künstlerischem Interventionen im öffentlichen Raum veranschaulicht, die nicht zuletzt mit brisanten Themen (zuletzt etwa zu Überwachung bzw. zur Macht der Großkonzerne) internationale Beachtung finden.

Politische Partizipation muss als Herausforderung betrachtet werden, die von kultur- und bildungspolitischen sowie nicht zuletzt auch von technologiepolitischen Standards und Rahmenbedingungen bestimmt werden. Dabei gilt es unentwegt zu vermitteln, dass informierte Öffentlichkeiten für eine demokratische Gesellschaft geradezu konsitutiv sind. Historisch war die Schaffung einer “öffentlichen Sphäre” die Voraussetzung für eine Entwicklung in Richtung Demokratie. Es bedurfte immer schon der Orte und Foren, an denen Themen einer politischen Community debattiert und grundlegende Informationen für die Teilnahme an einem Gemeinwesen ausgetauscht wurden.

Dazu ein Projektbeispiel, das viele dieser Aspekte vereint: Mit wahlkabine.at realisierte Public Netbase in Zusammenarbeit mit dem IFF – Abteilung Politische Bildung, der Gesellschaft für Politische Aufklärung sowie mit der Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft eine Wahlhilfe im Internet, die sich seit den Nationalratswahlen im November 2002 großer Beliebtheit erfreut. Entgegen dem Ansteigen der Politikverdrossenheit ist es gelungen, ein breites Interesse für politische Inhalte zu wecken, Positionen der wahlwerbenden Parteien sichtbar zu machen und aufgrund der Interaktionsmöglichkeiten diskursive Prozesse anzuregen.

Ausreichende und vor allem zuverlässige Information ist die Basis jeder Entscheidung. Weite Teile der Gesellschaft sowie auch in Politik und Verwaltung sind noch immer nicht genügend mit Informations- und Kommunikationstechnologien und ihrer Bedeutung für die globale Netzwerkgesellschaft vertraut, um sich gestaltend an der Entwicklung einer breiten und demokratischen Debatte beteiligen zu können. Es muss daher im öffentlichen Interesse sein, in sozio-kulturelle Grundlagen zu investieren, die – neben der Vermittlung medialer Kompetenz und der Befähigung zur selbstbestimmten Nutzung von Medien – auch ein Self-Empowerment im Hinblick auf die Wissensgrundlagen des Informationszeitalters möglich macht. Eine Demokratisierung umfasst auch die Partizipation an der Entwicklung von Antworten und Strategien auf grundlegende Problemstellungen: Wie verändern sich Alltagsleben, Kunst, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien? Wie entsteht öffentliche Meinung? Wie kann der Schutz der Persönlichkeitsrechte in der Informationsgesellschaft gewährleistet werden?

Im Interesse der Allgemeinheit ist auf die Stärkung und Förderung der öffentlichen Sphäre in den elektronischen Netzwerken ebenso zu achten wie auf die Erhaltung diversifizierter Öffentlichkeiten in der so genannten Infosphäre. Das Recht auf Zugang zu Medien ganz allgemein, das Recht auf die Freiheit der Meinung und des Ausdrucks sowie auch das Recht auf Privatsphäre müssen als unteilbare Grundrechte auch in Österreich volle Anerkennung finden. Um dafür in der Gesellschaft eine breite Resonanz zu erzielen, müssen Menschen die Möglichkeit haben, Medien und ihre Wirkungsvielfalt im Informationszeitalter zu einem Bestandteil des eigenen Alltagslebens zu machen. Noch wird die tägliche Realität auf erdrückende Weise durch ein passives Konsumverhalten dominiert. Unabhängige und selbstorganisierte Projekte in der Wissensgesellschaft bieten im Gegensatz dazu partizipative Erfahrungsräume. Politische Bildung kann sich jedenfalls durch die Verknüpfung von Kultur, Medien und politischem Self-Empowerment noch weitere wichtige Impulse erwarten.
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