Stell dir vor: In Österreich steht 2016 die Bundespräsidentschaft zur Wahl – und niemanden zieht es so richtig hin. So in etwa lässt sich der Eindruck kurz umreißen, der seit Jahresbeginn zwangsläufig entstanden ist. Nach zwei Perioden Heinz Fischer im höchsten Amt des Staates macht sich landauf landab gähnende Leere breit. Ein seltsam anmutendes Vakuum, an dem die politische Aufmerksamkeit keinen Gefallen finden kann.
Doch was genau spielt sich da zurzeit vor unseren Augen ab? Das heitere Persönlichkeitsraten sollte schon 2015 nicht so richtig Fahrt aufnehmen. Im Herbst des Vorjahres war etwa lediglich bekannt, dass Irmgard Griss, die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Leiterin der HYPO-Untersuchungskommission, den Popularitätsaufwind, von dem vor allem sie selbst am meisten überzeugt zu sein scheint, für eine Kandidatur nutzbar machen wolle. Sie wird im April mit einer blutigen Nase wieder nach Hause gehen – und einem nachhaltig ramponierten Image.
Aber auch so gestaltet sich die in den vergangenen Tagen konkreter werdende Startaufstellung für die vorerst letzte Wahlauseinandersetzung bis zu den Nationalratswahlen 2018 wie das aus dem Jahre 1849 stammende Possenspiel “Lady und Schneider” von Johann Nepomuk Nestroy. Darin ist der Hauptfigur des Hyginus Heugeign das völlig dilettantische Politisieren ungleich wichtiger als seine eigene Braut, wodurch er letztlich einer politischen Intrige zum Opfer fällt. Im Gegensatz zum realen Leben aber finden die Burlesken des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich ein Happy End.
Die österreichische Innenpolitik – und das wird mit der Bundespräsidentschaftswahl 2016 besonders deutlich – ist scheinbar schon seit geraumer Zeit ein Opfer ihrer selbst. So wird in dieser nicht unwesentlichen politischen Zukunftsfrage wie schon lange nicht mehr gestümpert, gepfuscht und gemurkst.
Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP, einst stolze Trägerinnen der höchsten staatlichen Würden, demonstrieren ihre stete Auflösung durch die Inexistenz namhafter Personalreserven. Dass ihre bisher bekannten Kandidaten, im Übrigen tatsächlich durchwegs Männer, aufgrund ihres Alters mittlerweile Gefahr laufen, die verfassungsgemäße Möglichkeit zweier Amtsperioden vielleicht nicht zu überleben, sollte in der Kritik eher eine Randbemerkung bleiben.
Viel schwerer wiegt, dass nicht ein einziger Lichtblick zu erkennen ist, der das eingeschränkte Pouvoir eines österreichischen Bundespräsidenten bzw. einer Bundespräsidentin mit feinsinnigem Intellekt, republikanischer Gesinnung und Mut zur politischen Erneuerung wettzumachen weiß. Rudolf Hundstorfer, Erwin Pröll, Andreas Khol, Alexander van der Bellen, Josef Moser, Norbert Hofer und – auch das ist vorerst noch nicht auszuschließen – Heinz-Christian Strache sind Teil des Problems, keinesfalls aber der Lösungen, die das Land so dringend braucht.
Die anwachsende Stimmungsmache gegen Fluchtsuchende, Arme und Andersdenkende, ein ungebrochener Sozialabbau sowie die Krise der Menschrechte gefährden zunehmend die demokratischen Grundlagen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt – in Österreich und der europäischen Union.
Im öffentlichen Diskurs wird aber kaum zur Sprache gebracht, dass rechte Hetzparolen, fragwürdige Heimattreue, neoliberale Verhaltensauffälligkeiten, das Abtragen des Wohlfahrtsstaates und eine Unverträglichkeit mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung sich keinesfalls als Empfehlung für den Einzug in die post-monarchischen Prunkräume der Wiener Hofburg eignen.
Hier wird plötzlich die Wahl der Nachfolge von Bundespräsident Heinz Fischer zu einem spannenden Stolperstein, der uns alle die große Misere, die sich nicht zuletzt auch in der politischen Entwicklung des Bundeslandes Oberösterreich widerspiegelt, eindrucksvoll vor Augen führt. Es liegt an uns, die wir Medien machen, in der Kulturarbeit tätig sind, Grundrechte verteidigen und als Zivilgesellschaft für öffentliche Wirkmacht streiten, welche Schlüsse für das politische Handeln wir daraus ziehen.
Die heutige Sendung im Rahmen des FROzine ist der Auftakt einer Kooperation von Radio FRO und dorf TV, mit der die beiden freien und nicht-kommerziellen Sender ihre redaktionellen Kräfte verstärkt bündeln werden, um sich über die eigenen Informations- und Kommunikationskanäle noch stärker in die öffentlichen Diskurse einzumischen.
2016 wird Politik!
Das Motto ist dabei als Ansporn ebenso ambitioniert wie auch stachelig für die dringend gebotene Politisierung der allgemeinen Medienlandschaft – auch nach dem fast Nestroy’schen Possenspiel einer Bundespräsidentschaftswahl.