Mehr als ein halbes Jahr vor Beginn der WM 2011 wurde die FIFA zu einer heiklen Mission genötigt. Mit dem Vorwurf, im Team von Äquatorialguinea seien auch Männer anzutreffen, hat die Diskussion um geschlechtliche Uneindeutigkeiten den Weltfußball erreicht.
Der Frauenfußball Äquatorialguineas hält die FIFA ungewöhnlich oft auf Trab. Als am 17. April Kamerun für ein Qualifikationsspiel für die Olympischen Spiele 2012 anreisen sollte, weigerten sich die Behörden, den “Unbezwingbaren Löwinnen” mehr als 25 Visa auszustellen. Nur durch das Einschreiten der FIFA ließ sich die regelkonforme Vollzähligkeit der Delegation des Nachbarlandes sicherstellen, das in Malabo schließlich 0:2 verlor.
Antrittsschnell und weiblich
Wenige Monate zuvor war Äquatorialguinea schon einmal Thema im FIFA-Krisenstab. Kaum hatte sich der Kleinstaat im Herzen Zentralafrikas für die WM 2011 qualifiziert, machte der Kontinentalverband CAF in Zürich die Mitteilung, dass Nigeria mit schweren Vorwürfen vorstellig geworden sei. “Es spielen”, so die knappe Anklage, “mindestens zwei Männer im Team von Äquatorialguinea. Die Verantwortlichen müssen sofort handeln!” Den Kickerinnen der “Nzalang Nacional”, die 2008 den Afrika-Cup gewinnen konnten, sollte fortan keine ruhige Minute mehr beschieden sein. Die mediale Aufgeregtheit konzentrierte sich bei den WM-Neulingen um den brasilianischen Trainer Marcelo Maria Frigero vor allem auf die Stürmerinnen Salimata Simpore und Genoveva Anonma. Letztere hat sich beim USV Jena bereits seit Jahren einen Namen gemacht – als Torjägerin und nicht zuletzt auch deshalb, weil die Zweifel an ihrem Geschlecht schon früher das öffentliche Gemüt erregten. “Seit 2006 sehe ich mich mit derartigen Vorwürfen konfrontiert, weil ich antrittsschnell und kräftig bin – aber eben als Frau!”, sagt Anonma.
Medialer Geschlechtstest
Die WM 2011 hat die Sensationsgier auf neue Hochtouren gebracht. Der Geschlechtstest der internationalen Presse nahm keinerlei Rücksicht auf die Betroffenen. Fast zwangsläufig wurden Erinnerungen an die südafrikanische Leichtathletin Caster Semenya geweckt und damit auch die Sorge, ob für das deutsche Sommerspektakel ein Imageschaden zu befürchten sei. Was also tun mit Fußballerinnen, die maskulin aussehen und mit tiefer Stimme vor den TV-Kameras Rede und Antwort stehen?
Die FIFA hat die Debatte, wie im Falle der Intersexualität einer Spielerin vorzugehen sei, kurzerhand abgesagt und Anfang März entschieden, dass im Team von Äquatorialguinea keine Männer spielen. Damit erspart man sich auch die nähere Auseinandersetzung mit Zweifeln an eindeutigen biologischen Festschreibungen. Die komplexe Frage, ob männlich, ob nur ein bisschen oder doch zweifelsfrei weiblich, sehen die Verbandsobersten am liebsten unter Verschluss. Es bleibt daher zu hoffen, dass sich der geschlechtsverwirrte Trubel bis zur ersten Begegnung mit Norwegen am 29. Juni legt. Mit Brasilien, Norwegen und Australien in Gruppe D dürfen sich die Zentralafrikanerinnen sportlich ohnehin nicht allzu große Hoffnungen machen.