Seit mehr als 20 Jahren ist das Museumsquartier ein Projekt der großen Hoffnungen. So sehr auch darum gestritten wurde, so sehr hat sich mittlerweile eine einhellige Meinung herausgebildet: Aus dem ehemaligen Messepalast soll eines Tages ein Kunst- und Kulturkraftwerk entstehen, das die Stadt Wien mit ausreichender Energie für ihren Weg in die Zukunft versorgen wird. Gerade für Jugendliche sollte auch ein Angebot geschaffen werden. Es stehen eben nicht alle auf Rock-Veranstaltungen in Fußballstadien. Und gar nicht so wenige machen um die Copa Kagrana einen riesengroßen Bogen.
Heute sind viele dieser Hoffnungen enttäuscht. Aus dem Museumsquartier ist bestenfalls eine Minimundus-Abbildung von Österreich geworden, die dem großen Vorbild vor allem in seiner Mentalität verblüffend ähnlich sieht. Obwohl es sich bei den hier ansässigen Institutionen – sei es das Leopoldmuseum, die Kunsthalle Wien, das Architekturzentrum oder auch Public Netbase – um durchwegs professionelle und international beachtete Kunst- und Kultureinrichtungen handelt, herrscht über ihnen allen ein provinzielles System der Obrigkeit. Das mag vielen vielleicht auf den ersten Blick nicht so auffällig erscheinen. Es war schließlich schon immer so, dass in Österreich ein strenger Aufpasser nach dem Rechten zu sehen hatte.
Im MQ-Alltag ist der zentralistische Apparat der Errichtungsgesellschaft für die Arbeit der Institutionen jedoch wie ein Korsett, das jede freie Bewegung unmöglich macht. Kunst und Kultur brauchen aber weitreichende Freiheiten und die institutionelle Selbstbestimmung, um sich ungehindert zu entfalten. Im Museumsquartier hingegen regieren im Augenblick noch immer ein autoritäres Oberlehrertum, ein undurchsichtiger Verwaltungsapparat sowie ein ängstlicher Argwohn gegenüber Kulturschaffenden, die sich kein Blatt vor den Mund nehmen und sich zum Geschehen kritisch äußern.
Damit gerät vor allem die große Idee eines lebendigen Kulturviertels in Mitleidenschaft, denn spannend, modern und abwechslungsreich wird ein Museumsquartier nur dann, wenn es tatsächlich anders ist. Die kostenlose Verteilung von Frisbee-Scheiben im Rahmen der Eröffnung waren ein Versuch, den Besuchern einen Eindruck von Offenheit und salopper Weltgewandtheit vorzugaukeln. Tatsächlich aber werden die Leute für ziemlich dumm verkauft. Denn kaum waren die Bühnenelemente, Klangtürme, Lunchpakete und Strandsessel nach den offiziellen Feierlichkeiten verschwunden, hat auch die Wiener Skater-Szene Gefallen an der Weite der großen Hofflächen gefunden. Im Wiener Museumsquartier haben sie allerdings die Rechnung ohne die Burgherren gemacht. Da gibt’s Verbote und private Wachmannschaften – und schon ist damit Schluss.
Public Netbase kann sehr gut nachempfinden, wie die Youngster diesem Moment empfunden haben. Denn als Freestyler unter den Institutionen musste man selbst vor kurzem noch die Erfahrung machen, dass die langjährige Belebung einer Baustelle nicht mit Anerkennung belohnt wird. Statt dessen gab es eine Räumungsklage – als einzigartige Strafmaßnahme für den berechtigten Wunsch der Internet-Kulturplattform, ab 2002 im Museumsquartier Voraussetzungen vorzufinden, bei denen Public Netbase in sinnvoller Weise wieder seinen Betrieb aufnehmen und über eigene öffentliche Räume verfügen kann. Dementsprechend ging die Empörung weit über Österreich hinaus.
Die Stadt Wien hat auf die Schande der MQ-Androhung von polizeilicher Gewalt umgehend reagiert und durch ihre Vermittlung eine Entspannung herbei geführt. Dennoch stellt sich im Museumsquartier nach wie vor die Frage, ob an diesem Ort eine kulturelle Shopping City entstehen wird, die ausschließlich als voluminöse Abstellkammer der Alten Meister Furore machen soll, oder ob nicht doch die Idee eines lebendigen Kunstareals verwirklicht wird. Das setzt ein grundlegendes Umdenken voraus. Ob es die Bereitschaft dazu gibt, ist weiterhin am Umgang sowohl mit den Skatern als auch mit Public Netbase abzulesen.