Adolf Hitlers Geburtshaus in der oberösterreichischen Stadtgemeinde Braunau sorgt seit jeher für Aufregung und Entrüstung. Die jahrzehntelange Debatte, wie mit der historisch belasteten Immobilie zu verfahren sei, sollte 2016 mit der Enteignung durch die Republik und einer, wie es im dafür zuständigen Innenministerium heißt, “neutralisierenden” Nutzung ein Ende finden. 2019 fiel schließlich die Entscheidung: Das Haus wird “architektonisch tiefgreifend” umgestaltet, von seiner problematischen Symbolkraft abgeschnitten und als zukünftige Polizeistation der Nazi-Pilgerschaft die Huldigung unmittelbar vor Ort vermiesen.
Seither sind vier Jahre vergangen, doch das Vorhaben wartet auf seine Umsetzung – ja noch nicht einmal ein Antrag auf Baubewilligung wurde im Braunauer Rathaus bisher eingebracht. Das mag verwundern, muss aber nicht. Österreichs Ämter sind nicht für ihre Eilfertigkeit bekannt, hinzu kommt, dass auch Regierungsstellen angesichts von Covid-Pandemie und dem damit verbundenen Ausnahmezustand die Prioritäten entsprechend zu gewichten hatten. Aus dem durch die Verzögerung entstandenen Vakuum tun sich nun Initiativen hervor, die sich im ewigen Marktgetümmel der Projektionen, was für das Hitlerhaus wohl das Beste sei, noch ein Blitzlicht erhoffen, bevor gar nichts mehr zu holen ist.
Ausgerechnet am Europatag trat eine Gruppe, die für sich den Namen “Diskurs Hitler-Haus” wählt, im Rahmen einer Pressekonferenz in Linz an die Öffentlichkeit, um ihrer Abneigung gegenüber den aktuell vorliegenden Plänen Ausdruck zu verleihen. Die Kosten, so wird vorgebracht, explodierten immer mehr, die Polizei nutze doch ohnehin schon eine zweckmäßige Unterbringung und am unbeliebten Siegerprojekt des Architekturwettbewerbs hätte am ehesten “Adolf Hitler seine Freude gehabt”. Eine Umfrage in der österreichischen Bevölkerung mache darüber hinaus deutlich: 53 % wünschen eine kontextualisierte Weiternutzung, als “Haus der Verantwortung”, eine Filiale des “Hauses der Geschichte” oder als Kunstinstallation, während nur 6 % sich für die letztlich gewählte Lösung aussprechen. Nicht zu erfahren war allerdings, was eigentlich gefordert wird. Da ist von einem Moratorium die Rede, von einem nochmaligen Nachdenkprozess, all das verbirgt sich jedoch hinter einer Nebelwand, die niemand so recht durchschaut.
Damit erweist sich die Geburtsstätte des Diktators aus Braunau einmal mehr als ein Refugium, von dem die Gegenwart offenkundig nicht lassen kann. Das Biedermeierhaus in der Salzburger Vorstadt 15 hatte für Adolf Hitler persönlich keinerlei Bedeutung. Es ist für die historische Erforschung und Vermittlung der beispiellosen NS-Verbrechen ohne jede Relevanz. Die lauten Schreie des Marktes finden aber immer noch Gehör: Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Es steht zu befürchten, dass tatsächlich bedeutsame Projekte und Unternehmungen im Diskurs um das konfliktuelle Erbe auch weiterhin viel Geduld und Nachsicht üben müssen.