Beschäftigung, Emploi, Job: Keine Einträge gefunden?

Kommentar zu den Verteilungskonflikten um die Ressource Information

Suchen und sich auffindbar machen. Wer hätte gedacht, dass kognitive Leistungen in der europäischen Politik je zum Thema werden. In seiner Neujahrsansprache 2006 hat Frankreichs Staatspräsident jedenfalls mit einer großen Sorge aufhorchen lassen, die tatsächlich überraschte. Europa sei in Gefahr, so warnte Jacques Chirac, ins Hintertreffen zu geraten. Wenn also nichts unterrnommen werde, der mächtigen Internet-Suchmaschine des US-amerikanischen Unternehmens Google ein öffentlich-rechtliches und zumindest gleichwertiges Konkurrenzsystem gegenüber zu stellen, dann werden der europäische Integrationsprozess sowie seine sozialen und kulturellen Gemeinschaftswerke aus der Wahrnehmungswelt unserer elektronisch vernetzten Wissensgesellschaft verschwinden.

Machen wir also die Probe aufs Exempel: Wer das Buch-Digitalisierungsprojekt books.google.com bemüht, um Einträge für den deutschen Begriff “Beschäftigung” zu finden, erhält 66.700 Ergebnisse. Beim französischen Wort “Emploi” muss man sich mit 431.000 gezählten Buchtiteln zufrieden geben, während das anglo-amerikanische “Job” sagenhafte 6.070.000 Treffer bereit hält. Entsprechend nervös wird bereits an einem Gegenmodell gearbeitet. “Quaero”, lateinisch für “Ich suche”, soll in Hinkunft dafür sorgen, dass nicht zuletzt auch der Gallische Hahn in der Infosphäre keine Federn lassen muss.

Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entwicklungen drängt sich fast der oberflächliche Eindruck auf, die Politik der kulturellen Übersetzung sei nunmehr auch im digitalen Zeitalter gelandet. Dahinter verbirgt sich allerdings ein politisches Konzept, das nach einem Upgrade für Protektionismus, Ausnahmestellungen und Identitätskonstruktionen sucht. Die plötzliche Kraftanstrengung einer Europäisierung der Informationssysteme muss daher von all jenen als blanker Zynismus gewertet werden, die schon seit vielen Jahren darum kämpfen, dass die Staaten Europas angesichts der um sich greifenden Prekarisierung von Arbeit und Leben endlich einen Kurswechsel vollziehen.

Wie sich am Beispiel der französischen “Intermittents” ablesen lässt, sind Beschäftigungsverhältnisse und Produktionspraxen vor allem auch im Kunst-, Kultur- und Mediensektor einer rasanten Veränderung unterworfen. Der tägliche Kampf um die nackte Existenz hat sich hier schon tief in die Köpfe festgeschrieben. Der Widerstand artikuliert sich in den Straßen, die sozialen Bewegungen verblüffen mit erstaunlichen Wachstumszahlen. Doch sollte die Bereitstellung von Information und Wissen in diesem Zusammenhang weder Google noch Jacques Chirac, Angela Merkel oder gar Wolfgang Schüssel überlassen bleiben. Längst haben die Verteilungskonflikte auch die Ressource Information erreicht, deren Privatisierung und Monopolisierung sich ohne jede Rücksicht auf öffentliches Interesse ihre Wege bahnen. Wer auf eine breite Demokratisierung setzt, muss hier Initiative zeigen und Santa Precaria, die Schutzheilige der neuen flexiblen Arbeitswelt, in die geheimnisvolle Welt der emanzipativen Selbstaneignung von Algorithmen führen.

Damit es nicht – ob in den USA, Europa oder sonst wo – eines Tages heißt: Beschäftigung, Emploi, Job? Keine Einträge gefunden.