Die Heimtücken des Grenzregimes

Ein Kommentar zum staatlichen Spendenangriff auf NGOs in der Flüchtlingshilfe

Zu Zeiten des historischen Absolutismus zählten Anleihen aus dem Naturrecht zu den ganz besonders kniffeligen Argumentationsgrundlagen der Feudalherrschaft, Einnahmen aus Steuern und Abgaben auf immer perfidere Weise zu rechtfertigen. Ein anschauliches Beispiel bot etwa Mitte des 17. Jahrhunderts der Finanzminister des französischen Königs Ludwig XIV.  “Steuern erheben”, erklärte Jean Baptiste Colbert,  “ist die Kunst, die Gans so zu rupfen, dass man möglichst viele Federn mit möglichst wenig Gezische bekommt.”

Knapp 400 Jahre später – also unter eigentlich demokratisch-republikanischen Vorzeichen – scheint sich im Denken der Regierenden wenig geändert zu haben. Das “Gezische” findet sich zwar nicht mehr im geläufigen Sprachgebrauch, Ungehorsam und Widerstand aber, die mit dem Geschnatter der Gänse ihre neuzeitliche Metapher finden sollten, sind eben nicht so einfach aus der Welt zu schaffen. Das österreichische Innenministerium will uns dennoch einmal mehr eines Besseren belehren, greift zum Rohrstab und haut mal wieder ordentlich drauf – als offenkundige Strafmaßnahme, die allemal nähere Aufmerksamkeit verdient.

Zum Sachverhalt: Nichtregierungsorganisationen, die den Staat seit geraumer Zeit bei der Versorgung von Asylsuchenden unterstützen, haben vor wenigen Tagen gar eigenwillige Post erhalten. Darin werden sie im Namen von Innenministerin Mikl-Leitner aufgefordert, die Höhe der Spenden, die sie zugunsten der Flüchtlingshilfe einnehmen, bekanntzugeben. Das ist aber noch nicht alles: die Spendenerträge sollen in weiterer Folge von jenem Gesamtbetrag abgezogen werden, den der Bund der jeweiligen NGO für ihre Leistungen eigentlich zahlen sollte.

Plötzlich zeigt das Grenzregime also seine wahre Fratze. Jahrelang blieb die österreichische Bundesregierung untätig, für die – sich angesichts der kriegerischen Konflikte in Syrien, Afghanistan und Irak schon früh abzeichnenden – Fluchtbewegungen auch im eigenen Land entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Als dann insbesondere ab Sommer 2015 zahlreiche Menschen auch in Österreich Zuflucht vor Krieg, Elend und Zerstörung suchten, präsentierte sich das für Asylangelegenheiten zuständige Innenministerium in einer walzerseligen Melange aus Inkompetenz, Unwilligkeit und Gastfeindschaft. Während also Mikl-Leitner seither in martialischer Rhetorik von Grenzziehung, Obergrenzen und unüberwindbaren Stacheldrahtbarrieren schwadroniert, ist die staatliche Ordnung längst auf den Kopf gestellt. Die mit der Flüchtlingsagenda befassten Institutionen zeigen sich zum Großteil überfordert, bemühen Kommunikationsagenturen zur internationalen Verbreitung der Botschaft, dass Menschen in Not hierzulande nicht willkommen geheißen werden, und gehen hilflos vor den Bundesländern in die Knie, die der Republik bei der Unterbringung von Asylsuchenden geradezu eine lange Nase drehen.

Nun aber treffen die Heimtücken der rot-weiß-roten Abwehrfront nicht mehr nur die Menschen, die sich in Österreich ein Leben in Frieden und Sicherheit erhoffen, sondern auch all jene, die den Fluchtsuchenden diese Aussicht ermöglichen wollen. Der staatliche Angriff auf das zivilgesellschaftliche Engagement vieler Organisationen und Einzelpersonen ist dabei nur die logische Fortsetzung einer Politik, die sich nicht mehr aus der Geiselhaft der rechtsextremen und nationalistischen Hetze zu befreien weiß und stattdessen um deren menschenverachtende Strahlkraft buhlt.

Das Bekenntnis zu Solidarität und Menschenrechten, so wie es viele bisher durch einen enormen Einsatz sowie auch durch ihre finanzielle Großzügigkeit zum Ausdruck brachten, gerät dadurch in einen Konflikt, dem sich die Mehrheit der Spenderinnen und Spender vielleicht am liebsten entziehen möchte, der aber dennoch zu führen ist, weil er der gesamteuropäischen Situation der Abschottung und Verriegelung ganz einfach innewohnt.

Die Republik Österreich hat sich in der Flüchtlingsfrage mittlerweile klar positioniert – das wurde nicht zuletzt auch durch das aktuelle Asylabkommen mit der Türkei deutlich, das jedem internationalen Recht widerspricht und mit dem Leid von verzweifelten Hilfesuchenden im eigenen Schrebergarten politisches Kleingeld zu wechseln sucht. Menschenrechte sind jedoch nicht verhandelbar. Das ist mit allem Nachdruck auch dem Staat und seinen Behörden ins Stammbuch zu schreiben – und wenn es darauf ankommt, dann selbstverständlich auch mit Ungehorsam und Widerstand.