Linz ist nicht Mekka

Vor der Errichtung des neuen Blau-Weiß-Stadions spielte die Stadt Linz offenkundig mit falschen Karten

Anlässlich des Stadionneubaus im Linzer Donaupark für den FC Blau-Weiß Linz schwärmten die Stadtverantwortlichen von einer künftigen Heimstätte der ÖFB-Frauen. Kurz nach der feierlichen Eröffnung will davon niemand mehr etwas wissen.

Wer mit dem Linzer Bürgermeister Klaus Luger zu tun hat, kann mitunter beobachten, dass beim Läuten seines Telefons das Wappen von Blau-Weiß Linz am Bildschirm erstrahlt. Die Leidenschaft Lugers für den in den Mythen der Stahlstadt tief verankerten Verein ist bekannt. Bei diesem Bekenntnis weiß er die mehrheitlich sozialdemokratischen Regierungsmitglieder an seiner Seite. 2020 gaben sie eine für die fußballerische Entwicklung der oberösterreichischen Landeshauptstadt weitreichende Entscheidung bekannt.

Dem LASK, der seit jeher stärker auf regionale Strahlkraft setzt, war aufgrund seiner Erfolge der Anspruch auf ein internationalen Standards entsprechendes Stadion nicht zu verwehren. So opferte Linz für einen Neubau die 2012 noch um 32 Millionen Euro sanierte Multifunktionsarena auf der Gugl, mit der ohnehin nie jemand richtig glücklich werden wollte. Unter diesen Voraussetzungen durfte der Stadtrivale nicht zu kurz kommen, also sollte auch der FC Blau-Weiß Linz einen zeitgemäßen Austragungsort erhalten. Trotz einer überaus angespannten Budgetsituation, bei der Einrichtungen und Projekte im Kultur-, Bildungs- und Sozialbereich zuvor Kürzungen erfahren hatten.

Große Visionen

Zu diesem Zeitpunkt musste sich Blau-Weiß Linz zudem noch mit der zweiten Liga zufriedengeben, obwohl der Klub bereits mit ansehnlichen Leistungen im oberen Tabellendrittel überzeugte. Am 21. Oktober wurde schließlich die Öffentlichkeit darüber informiert, dass im Donaupark, direkt anschließend an die neue Eisenbahnbrücke, die neue Heimstätte für den Klub entstehen soll. Also genau an jenem Ort, an dem der Verein aus der Taufe gehoben wurde, wie Vorstand Sargon Mikhaeel betonte. Die städtische Gesamtinvestition von 25 Millionen zuzüglich 12 Prozent Kostenbandbreite und Indexsteigerung fand im Linzer Gemeinderat am 21. Jänner 2021 eine breite Zustimmung, damit sollte der Kritik, die im Hinblick auf die hohen öffentlichen Ausgaben auch vom Landesrechnungshof zu vernehmen war, Wind aus den Segeln genommen werden.

Darüber hinaus versuchten die Stadtverantwortlichen, die finanzielle Belastung mit aussichtsreichen Plänen für den Standort aufzuwiegen. Aufhorchen ließ Vizebürgermeisterin Karin Hörzing in ihrer Funktion als Sportreferentin. „Besonders freut mich“, erklärte sie über die städtischen Kommunikationskanäle, „dass wir hier nicht nur ein altes Stadion für Männerfußball mit einem neuen solcher Art ersetzen. Bereits vier Umkleidekabinen fix einzuplanen und das Donauparkstadion gezielt – auch – zum zukünftigen Mekka für Frauenfußball machen zu wollen, finde ich großartig.“ Die Ansage griff nach der ganz großen Vision: „Wenn es uns tatsächlich gelingt, unser neues Schmuckstück an der Donau zum Nationalstadion für das Frauenteam des ÖFB zu machen, wäre das eine ganz große Sache. Für Linz. Für den Frauenfußball. Für den Sport in ganz Österreich!“

Auf Rekordjagd

Das machte hellhörig, klingt doch die Aussicht auf einen starken Impuls für die Förderung des Fußballs der Frauen durchaus progressiv. Mit dem Spatenstich wurde allerdings ein Vakuum ausgehoben, in dem sich diese Idee auf mysteriöse Weise geradezu auflöste. Als am 2. Mai 2023 das Los für die Nations League entschied, dass Österreich in seiner Gruppe auf Frankreich, Norwegen und Portugal trifft, kam die Frage auf, ob das Team von Irene Fuhrmann am 26. September im bereits am 5. Juli eröffneten Donauparkstadion gegen Frankreich antreten werde.

Die Austragung wäre dort durchaus naheliegend. Das Stadion im Besitz der Stadt Linz entspricht der Klasse 3 der UEFA, also der zweithöchsten Kategorie, und ist für jede Menge internationaler Spiele zugelassen. Es verfügt über ein Fassungsvermögen von 5.400 Personen, das mit der Eröffnungseuphorie im Hintergrund und einem starken Gegner voll ausgelastet werden könnte – und bei geringerem Zuspruch kein schlechtes Bild bietet. Zudem zeigt das Nationalteam der Männer mit seinen Spielen im größeren neuen Linzer Stadion, dass Länderspiele in der Stadt gut angenommen werden. Das könnte auch dem ÖFB entgegenkommen, der sich spätestens seit der erfolgreichen EM 2017 einen größeren Publikumszuspruch für das Nationalteam der Frauen wünscht. Bislang konnte die Rekordkulisse von 3.600 Zuschauerinnen und Zuschauern in der EM-Qualifikation 2012 gegen Dänemark aber nicht überboten werden. Für internationalen Spott sorgte vor einem Jahr die WM-Qualifikationspartie gegen die Engländerinnen. Hatten diese wenige Wochen vor dieser Begegnung das EM-Finale in Wembley noch vor mehr als 87.000 Fans gewonnen, kamen nur rund 2.600 zum Spiel in Wiener Neustadt. Die Bilder von Kindern, die von der Wasserrutsche eines nahegelegenen Freibads auf die Partie schauten, gingen um den Globus. Auch dieses Jahr war die Begeisterung in Wiener Neustadt bislang mäßig, am 18. Juli 2023 zählte der ÖFB beim Freundschaftsspiel gegen Island 2.300 Fans, am 7. April 2023 gegen Belgien gar nur 1.380.

Viola Park statt Donaupark

Doch eine Nachfrage beim ÖFB lässt Spekulationen über Linz verstummen. Das Donauparkstadion sei eine interessante Option – neben anderen. Für das Match gegen Frankreich fiel die Entscheidung auf den Viola Park in Wien-Favoriten, für den bei internationalen Spielen eine Kapazität von 15.000 Plätzen vorgesehen ist. Und was wird aus dem für den Donaupark in Aussicht gestellten Nationalstadion der Frauen? ÖFB-Kommunikationschefin Iris Stöckelmayr lässt dazu wissen, dass davon alleine deshalb keine Rede sein könne, weil der Verband an seiner Linie festhält, je nach Erfordernissen und Arrangements ein geeignetes Stadion auszuwählen. Mit den Verantwortlichen in Linz sei man dennoch im Gespräch.

Endet das angekündigte Mekka für Frauenfußball im Donaupark nun als Fata Morgana? Überdeckt die Euphorie rund um den Bundesliga-Aufstieg der Männer des FC Blau-Weiß Linz nicht nur die Kostenexplosion auf 43 Millionen Euro, sondern auch das Spiel mit offenkundig falschen Karten der Stadtregierung? Ende Juli nahm Vizebürgermeisterin Hörzing im Gespräch mit dem ballesterer dazu Stellung. Die öffentliche Mitteilung aus 2020 sei ihr gar nicht mehr so in Erinnerung. Auch auf den Hinweis, dass der ÖFB noch abwarten wolle, inwieweit sich das Stadion in der Spielpraxis als tauglich erweise, wusste sie keine Erklärung. Das mit dem Nationalstadion wollte Hörzing in dieser Form jedenfalls nie erklärt haben, im Zweifel sei sie auch bereit, die Aussage zu revidieren.

ballesterer fm